Montag, 2. Juli 2012
02.07.12 Hörne – Cuxhaven, 40 km
Unsere letzte Etappe ist die kürzeste der gesamten Strecke. Wir starten bei schönem Wetter in Hörne, fahren neben der Straße nach Neuhaus, weil das Sperrwerk Oste nicht befahren werden kann. Bei Otterndorf sind wir wieder neben dem Deich und bestaunen die Elbe, die fast wie ein Bodden aussieht und von großen Schiffen befahren wird. Allein für diesen Anblick schon hat sich die Fahrt gelohnt! Weiter geht es an Viehweiden entlang ganz nah am Wasser. Cuxhaven ist schon zu sehen. Mir geht während der Fahrt eine Menge durch den Kopf: Sehnsüchte nach vergangenen und künftigen Urlaubszielen, die Freude an der gut bewältigten Strecke und dem insgesamt ganz guten Wetter. Am schönsten ist die Elbe für mich im Riesengebirge. Dort werden wir nicht mit dem Rad fahren, aber den Weg von Harrachov hinauf zur Elbquelle werden wir irgendwann einmal wandern. In Schleswig-Holstein gibt es hübsche Ortschaften mit sehr schmucken Häusern. Am besten gefällt mir der Elberadweg dort, wo man oft das Wasser sieht und viel von der Natur hat: in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und zuhause zwischen Riesa und Dresden. Wir sind am Ziel: die Nordsee ist erreicht! Unterwegs wurde uns eine radfahrerfreundliche Unterkunft in Cuxhaven empfohlen, wo wir noch zwei Nächte lang bleiben möchten. Und natürlich bin ich neugierig auf Hamburg, von wo aus wir die Heimreise antreten werden. Vor zwei Jahren sind wir von Magdeburg nach Dresden gefahren; in diesem Jahr von Magdeburg nach Cuxhaven. Irgendwann einmal könnte uns die gesamte Strecke reizen – wenn es gesundheitlich klappt und auch sonst nichts dagegen spricht.
Nachtrag: Hamburg ist eine schöne und interessante Stadt, aber der Tipp der Einheimischen, über Harburg Richtung Stade zu fahren, war wirklich sehr gut. Ich verstehe zwar, dass man auch den Radlern das Fahren durch die Innenstadt gönnen möchte, aber ehrlich: für Mehrtagesreisende mit beladenen Rädern ist diese Strecke anstrengend und man kann eigentlich davon nur abraten. Es gibt dort entlang der Elbe zwar Elberadweg-Markierungen, aber keinen durchgehenden Radweg. Mal ein Stückchen links, dann mal wieder ein Stückchen rechts, von Parkplätzen und Baustellen unterbrochen, teilweise völlig zugeparkt, Richtung Blankenese weite Abschnitte, wo nur geschoben werden darf. Schon wochentags kommt man nur langsam durch - wie mag das am Wochenende sein? Richtung Cuxhaven fährt man im Stadtgebiet unserer Meinung nach besser links der Elbe, obwohl die Strecke, zugegeben, nicht immer hübsch ist.
Hier noch ein paar Fotos von unserer Tour.
Sonntag, 1. Juli 2012
01.07.12 Hollern-Twielenfleht – Hörne, 63 km
Nach einem echten Sonntagsfrühstück im Altländer Obsthof in Hollern-Twielenfleht nehmen wir die nächste Etappe in Angriff. Den heutigen Tag möchten wir in Ruhe angehen; schließlich sind wir gestern quasi für die nächsten beiden Tage vorgefahren. Wir fahren zunächst auf der Obstroute weiter bis nach Stade, wo wir wieder den Elberadweg treffen. Nun wird der Weg ruhiger, führt vorwiegend an Nebenstraßen entlang. Ab und an sind wir auch in Deichnähe, so bei Abbenfleth, wo wir anhalten und die Aussicht über die Elbe genießen. Da das Sperrwerk Kehdingen erst in den späten Nachmittagsstunden befahren werden kann, müssen wir über Dornbusch nach Wischhafen fahren. Wir entschließen uns, bis Freiburg an der Straße entlang zu fahren; das geht weiterhin auf dem Radweg ganz gut. In Freiburg machen wir Kaffeepause. Bisher sind wir gut, aber gemütlich vorangekommen, und das gemächliche Tempo ist bei kräftigem Gegenwind auch angemessen. Die Radfahrer aus der Gegenrichtung brauchen kaum zu treten. Ein Stück möchten wir noch fahren. Bis Hörne sind es noch 17 Kilometer; das wollen wir versuchen. Der Weg führt nun mitten durch Wiesen, an Viehweiden vorbei. Das ist mal eine Strecke, die mir gefällt! Der Wind nimmt noch zu, so dass wir langsam und kräftesparend fahren müssen. Bei Krummdeichen könnten wir noch eine Unterkunft nehmen, falls es in Hörne nicht klappt, aber wir haben beim ersten Anruf Glück und fahren noch die verbleibenden neun Kilometer. Hörne ist ein kleines Dorf hinter einem Deich, und unsere Unterkunft erweist sich als gehobener Gasthof mit Hotel. Wir sind erfreut, gut untergebracht zu sein, denn allmählich trübt es sich ein. Abends gibt es ein kurzes Gewitter, es hagelt sogar. Da möchte man nicht mehr draußen unterwegs sein.
Samstag, 30. Juni 2012
30.06.12 Lauenburg – Hollern-Twielenfleht, ca. 100 km
Da unser Elberadweg-Handbuch immer weniger radfreundliche Quartiere ausweist, je weiter man nach Norden kommt, und außerdem Wochenende ist, haben wir gestern Abend schon eine Unterkunft reserviert. Ich hätte vorab nochmal die Kilometer zusammenrechnen sollen: diese Etappe war zu weit veranschlagt. Aber da wir uns festgelegt hatten, wollten wir die Strecke auch schaffen. Dummerweise verfahren wir uns schon in Lauenburg und kurven dort an die fünf überflüssige Kilometer herum. Als wir endlich den Elberadweg gefunden haben, macht dieser bei Artlenburg erst mal einen Umweg vom Wasser weg. Danach geht es wieder am Deich weiter bis Hoopte, und jener Abschnitt ist auch der schönste der Tour. Man hatte uns gewarnt, auf der anderen Elbseite weiter zu fahren: dort gibt es einen kleinen Gebirgszug bei Geesthacht mit teilweise sehr steilen Anstiegen, und nach dem Gewitter waren die Waldwege dort nicht gut befahrbar, wie wir von anderen Radfahrern erfuhren. Laut Elberadweg-Handbuch muss man bei Hoopte die Elbe überqueren und auf der anderen Seite in Hamburg weiterfahren. Wir erhielten jedoch den Tipp, dass man auch links der Elbe weiterfahren könne und diese Strecke kürzer sei. Wir brauchen zunächst ewig nach Hamburg-Harburg hinein. Ich hatte mir vorgestellt, einen schönen Blick über die Elbe zu haben und die Fahrt an Hamburg vorbei irgendwie toll zu finden, aber es ist einfach nur öde. Wir wollen uns an der Elbe halten, kommen aber doch davon ab, weil wir Radwegzeichen und Tipps von Leuten folgten. Tatsächlich schaffen wir es ganz gut zur Buxtehuder/Stader – und später Cuxhavener Straße. Aber das Fahren an stark befahrenen Straßen entlang macht einfach keinen Spaß. Ich bin schon längst nicht mehr motiviert und fahre nur noch widerwillig weiter. Nach ewiger Fahrerei neben der Straße wollen wir hinunter zur Elbe. Das erweist sich als sehr viel schwieriger als geahnt; Leute schickten uns mal nach da, mal nach dort, und nach einigem Hin und Her kommen wir dann doch neben dem Deich zum Fahren. Man sieht bei sonnigem Wetter die Leute spazieren gehen und die Aussicht genießen, muss aber selbst unten bleiben. Später entnehmen wir der Karte, dass der Radweg zumindest streckenweise auch am Wasser verläuft, aber dorthin fanden wir nicht. Inzwischen sind wir auch zu müde für Experimente. Immerhin führt ein Radweg an der Straße entlang und allmählich kommen wir unserem Ziel näher. Zum Glück ist mein Mann ziemlich fit und fragt sich durch; ich möchte weder jemanden grüßen, noch mit jemandem reden und bin nur noch zum Fluchen aufgelegt. Ein Beispiel, wie eine Radtour – auch aus sportlicher Sicht – nicht verlaufen sollte. Wir hätten mindestens eine längere Pause gebraucht, fanden aber keine hübsche Einkehrmöglichkeit und waren außerdem in Sorge, zu spät anzukommen. Kurz nach 18 Uhr sind wir schließlich am Ziel. Ich habe durchaus sportlichen Ehrgeiz, aber den ganzen Tag lang mit dem voll beladenen Rad gegen den Wind zu strampeln, ist mir definitiv zu viel. Im Unterschied zu früher mag ich mich nicht mehr stundenlang quälen. Unsere Unterkunft ist freilich wunderschön, aber wir hätten dennoch besser auf eine Reservierung verzichtet. Am Abend sehen wir dann endlich die Elbe und der Ausblick ist wirklich beeindruckend. Lohnt es sich, noch weiter Richtung Nordsee zu fahren oder lässt man sowas besser bleiben? Bald wissen wir mehr.
Freitag, 29. Juni 2012
29.06.12 Dömitz – Lauenburg, 75 km
Beim Frühstück warnt uns die Inhaberin der Radlerpension, für den Nachmittag seien Gewitter angesagt, und noch während wir packen, gibt es den ersten Schauer. Es sieht unbeständig aus, als wir Dömitz verlassen. Den gestrigen Abend haben wir sehr genossen: zunächst bei einem Spaziergang, später dann beim Abendessen in einem Biergarten mit Blick auf ein Storchennest. Dömitz hat eine interessante und gut erhaltene Burg, die uns fast besser gefällt als die Festung Königstein. Empfehlungen anderer Radfahrer folgend, bleiben wir auf der rechten Elbseite. Während wir Richtung Hitzacker radeln, ziehen dunkle Wolken vor uns her, und immer wieder donnert es. Oben auf den Deichen würden wir ungern von einem Gewitter überrascht werden, deshalb fahren wir auf den Straßen unterhalb der Deiche entlang. Wir kommen bis Bitter, ohne einen Regentropfen abbekommen zu haben. Als wir mit der Fähre übersetzen, sehen wir die ersten Blitze über einer Hügelkette. Der Gedanke, möglicherweise durch ein Gewitter fahren zu müssen, gefällt mir gar nicht. Hitzacker sei ein sehr hübsches Städtchen, sagen uns Radfahrer, als wir die Fähre verlassen. Und wirklich: in Hitzacker würden wir durchaus mal für eine Nacht bleiben. Aber es ist noch früh am Tag; deswegen ist das keine Option. Offenbar leben im Ort viele Italiener, denn alles ist mit italienischen Fahnen geschmückt. Die Freude gönnt man ihnen doch gern! Wir fahren weiter Richtung Bleckede, zunächst entlang der Elbe unter Bäumen, aber dann geht es weiter bergauf und wir radeln von einem Hügel zum nächsten. Als es zu regnen beginnt, machen wir in einem Haltestellenhäuschen Pause. Wir haben tatsächlich Glück: das Gewitter zieht vor uns davon und den nachfolgenden kurzen Regenguss warten wir ab. Zwischen Tießau und Drethem verläuft der Radweg abseits der Straße durch den Wald. Darüber sind wir zunächst erfreut, aber bald wird der Weg so steil, dass wir absteigen und die Räder bergauf schieben müssen, während sich von allen Seiten Mücken und Stechfliegen auf uns stürzen. Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet und sind froh, als wir endlich wieder aufsteigen können. Offenbar wollten uns alle, die uns diese Strecke empfohlen haben, jenes „Vergnügen“ gönnen; andererseits kennen wir den Streckenverlauf auf der anderen Elbseite nicht – vielleicht ist der Weg dort noch schlimmer. Nach mehreren Ortsdurchfahrten radeln wir auf Bleckede zu. Dieser Streckenabschnitt zieht sich in die Länge, aber er fährt sich recht gut: meist unter Bäumen entlang und immer leicht abschüssig. Hier ist es sehr schwül, und ich habe meine Zweifel, ob wir es heute bis Lauenburg schaffen. Da wir kurz vor Bleckede eine längere Pause gemacht haben, können wir den Ort relativ zügig durchfahren, und der Radweg führt uns wieder am Deich entlang. Hier ist es etwas frischer, und es fährt sich ganz angenehm. Wir hoffen, etwas abzukürzen, als wir vom Elberadweg abweichen und die Landstraße nehmen. Das geht auch ganz gut und nach einigen Kilometern sind wir in Radegast, wo es wieder auf dem Elberadweg unterhalb des Deiches weiter geht. Nun machen wir uns Gedanken, wie weit wir heute noch fahren möchten. Kurz vor Hohnstorf machen wir Kaffeepause und beschließen, nach Unterkünften Ausschau zu halten. In Hohnstorf sieht es nicht gut aus; die meisten Zimmer sind wegen einer Veranstaltung belegt. Wir erhalten noch eine Adresse, wo wir übernachten könnten, aber eigentlich hätten wir gerne auch Frühstück und versuchen es telefonisch auf der anderen Elbseite in Lauenburg. Das erste Hotel, das ich anrufe, ist ausgebucht, das nächste ebenfalls, im dritten klappt es dann, und obwohl das Zimmer etwas mehr kostet als in einer Pension, entscheide ich mich auf der Stelle. Es ist nun kurz nach drei und wir müssen das Hotel ja noch finden! Als wir in Lauenburg ankommen, ziehen schon dunkle Wolken näher. Wir müssen unsere Räder einen ziemlich steilen Berg hinauf schieben, werden aber mit einem grandiosen Ausblick direkt aus dem Zimmerfenster belohnt. Bald zucken die ersten Blitze und wir haben Unwetterkino mit bestem Rundblick.
Donnerstag, 28. Juni 2012
28.06.12 Rühstädt – Dömitz, 72 km
Schon bei unserer letzten Tour auf dem Elberadweg haben wir festgestellt, dass die Orte, in denen wir ungeplant Halt gemacht haben, fast die interessantesten waren. Rühstädt, wohin es uns verschlagen hatte, ist das einzige Europäische Storchendorf Deutschlands. Hätte es nicht geregnet, wären wir wohl vorbeigefahren! Gegen Abend hörte es auf zu regnen, und wir machten noch einen Spaziergang durch den Ort. Bisher haben wir gejubelt, bekamen wir unterwegs mal ein Storchennest zu sehen, und waren auch noch Störche darin, konnten wir unser Glück kaum fassen. In Rühstädt gibt es sage und schreibe 30 Storchennester, und manches Hausdach hat sogar zwei Nester. Am Abend waren die Eltern alle eingeflogen; wir konnten sie zusammen mit den Jungstörchen in den Nestern sehen und ihr Geklapper hören. Auch wenige Meter von unserem Zimmer entfernt befand sich ein Storchennest. In Rühstädt gibt es auch ein Schloss, das heute ein Wellnesshotel ist. Der Schlosspark wurde uns ausdrücklich empfohlen und es ist tatsächlich einer der schönsten Parks, den ich bisher gesehen habe. Als wir dort entlang gingen, stieg der Nebel zwischen den alten Bäumen auf und wir fühlten uns wie in einem Märchenwald. Die Kronen der hohen Bäume berühren einander und ließen nur wenig Licht hindurch. Ich mag es, wenn ein Park etwas naturbelassen und leicht verwildert ist, nicht so akkurat wirkt wie manch andere. Rühstädt ist einen Besuch wert!
Kurz vor neun Uhr verlassen wir das Dorf; das Wetter soll besser werden. Die ausgeschilderten 18 Kilometer bis Wittenberge sind recht schnell zurückgelegt. Allerdings sind die letzten Kilometer eine Zitterpartie, weil der Weg von feinem Split bedeckt ist, der sich überall festsetzt und in den Rädern zu knirschen beginnt. Zum Glück hält die Mechanik das aus. Ein kleiner Schauer ist recht schnell vorüber gezogen. Unterwegs sehen wir wieder Störche, einen Fuchs, ein Reh und Kraniche. Vom Radweg aus, der fast immer auf Deichen entlang führt, sehen wir weit über die Elbwiesen mit kleinen Tümpeln und Nebenarmen; die Ortschaften liegen meist ein Stückchen abseits vom Radweg, sind aber schnell erreicht. In Cumlosen machen wir eine kurze Pause: auch hier könnte man gut übernachten. Wir möchten aber mindestens noch bis Lenzen fahren. Weiter geht es auf Deichen entlang. Unterhalb der Deiche ist der Straßenbelag meist besser, aber oft mit Mist bedeckt, und an einer Stelle werden wir mit frischem Mist ebenso bespritzt wie zuvor mit dem feinen Split. Wir fahren durch eine wunderschöne Landschaft, aber Pausen gönnt man uns wohl nicht: Rastplätze oder gar Schutzhütten gibt es hier kaum. In Lenzen angekommen, brauchen wir beide eine längere Pause, und glücklicherweise liegt das Hafencafé direkt am Elberadweg. Dort gefällt es uns so gut, dass wir nicht nur Kaffee trinken, sondern auch eine Kleinigkeit essen. So gestärkt, nehmen wir uns noch ein Stückchen Weg vor und möchten idealerweise bis Dömitz fahren. Die dunklen Wolken haben sich verzogen, und es wird richtig warm. Die Elbe ist hier schon recht breit, bildet viele natürliche Buchten, in denen sogar gebadet wird. Wir fahren an kleinen Ortschaften vorbei, und ab und an gibt es auch Möglichkeiten, einzukehren, die wir aber nicht nutzen. Unser Elberadweg-Handbuch, das in den meisten Unterkünften am Radweg und in den Touristen-Informationsstellen ausliegt, weist mehrere Quartiere in Dömitz aus. Da wir nicht reserviert haben, möchten wir hier unsere Tour beenden und in Ruhe eine Unterkunft suchen. Die Information in Dömitz ist leider kurz nach 16 Uhr schon geschlossen, und da wir nicht lange herumirren wollen, folgen wir dem vielversprechenden Wegweiser „Radlerpension“, wo wir auch gleich Glück haben. Als wir abends gemütlich spazieren gehen, entdecken wir noch weitere freie Unterkünfte, aber wir sind bereits gut untergebracht und haben nun Zeit, uns ein wenig im Ort umzuschauen.
27.06.12 Tangermünde - Rühstädt, ca. 75 km
Tangermünde ist wirklich ein Städtchen zum Verlieben! Bei unserem Stadtrundgang gestern wurden wir von einem älteren Paar auf den Dom von Jerichow aufmerksam gemacht, den man von der Stadtmauer aus auf der anderen Elbseite sehen kann. Den sollten wir unbedingt anschauen… aber einen Abstecher dorthin haben wir nicht geplant. Dennoch könnte uns die Gegend locken und vielleicht fahren wir mal von Magdeburg aus in nordöstlicher Richtung weiter. Bei der abendlichen Stadtführung durch Tangermünde hatten wir richtig schönes Wetter und hoffen nun, dass dieses noch ein Weilchen anhält. Mindestens bis Havelberg möchten wir heute kommen. Als wir nach einem guten Frühstück im Hotel Exempel Schlafstuben (wir wohnten in der dazugehörigen Altstadt-Pension) Tangermünde verlassen, hat sich der Himmel bezogen, aber es ist noch trocken und recht warm. Die Landschaft hier ist etwas hügelig, und wir sind ein ganzes Stück von der Elbe entfernt. Kurz vor Schwarzholz bekommen wir die ersten Regentropfen ab. Der Weg führt uns an der Ruine eines Rittergutes vorbei. Die Treppe ins Obergeschoss des Turmes ist in gutem Zustand und wir denken uns, dass man darin notfalls auch die Nacht verbringen könnte. Der linkselbische Radweg führt von Büttnershof aus über Werben nach Wittenberge. Ich bin dafür, mit der Fähre nach Sandau hinüber zu fahren, von dort aus weiter nach Havelberg und dann Richtung Wittenberge, wenn wir noch möchten. Mein Mann ist skeptisch, fährt aber trotzdem mit. In der Touristeninformation in Havelberg wird uns der weitere Wegverlauf erklärt. Wir verfahren uns zunächst, finden aber doch die Sandauer Brücke. Kommt man von Sandau, kann man gleich vor dieser Brücke nach links zur Fähre abbiegen, vom Stadtzentrum aus gesehen fährt man über die Brücke und wendet sich dann nach rechts. Am Wegweiser zur Havelberger Schleuse wenden wir uns rechts, überqueren diese und folgen der Ausschilderung „Elberadweg“. Es geht ein ganzes Stück durch Wiesen, wo es nach gemähtem Gras duftet. Eine Schutzhütte kommt gerade recht, als es zu nieseln beginnt. Hier sind zwei Störche in unmittelbarer Nähe von uns und sie sind kein bisschen scheu. Man könnte sie hier wohl stundenlang beobachten. Wir fahren weiter auf dem Landstreifen zwischen Elbe und Havel entlang, an Neuwerben vorbei und überqueren schließlich ein Wehr. Hier verläuft der ausgeschilderte Radweg geradeaus nach Quitzöbel. Wir folgen aber der Empfehlung der Information und nehmen den Weg links herum über den Deich, als „Alternativroute“ gekennzeichnet. Es nieselt immer wieder und wir nutzen ab und an Schutzhütten, um uns ein Weilchen unterzustellen. Auch hier begegnen uns immer wieder Radfahrer mit Regenjacken und Regencapes; wir sehen sie auch am anderen Ufer der Havel. Hier auf dem Deich zwischen Elbe und Havel fährt es sich bei gutem Wetter sicher ganz wunderbar. Wir sehen auch wieder Störche vom Radweg aus und von den Beobachtungstürmen am Wegrand kann man sicher auch gut nach Tieren Ausschau halten. Aber der Regen wird stärker und wir entscheiden uns, in Rühstädt ein Zimmer zu nehmen. Möglichkeiten gibt es viele und im ersten Landgasthof, den wir ansteuern, haben wir schon Glück. Auf Schauer ist man eingestellt, aber bei stärkerem, anhaltenden Regen macht das Weiterfahren keinen Spaß.
Dienstag, 26. Juni 2012
Magdeburg – Tangermünde, ca. 75 km
Nachdem wir vor zwei Jahren den Elberadweg von Magdeburg nach Dresden gefahren sind, entstand der Plan, von Magdeburg aus Richtung Hamburg zu fahren. In diesem Jahr nun möchten wir diesen Plan in die Tat umsetzen. Erstmals haben wir unsere Fahrräder im Intercity mitgenommen. Die Möglichkeiten sind noch wesentlich begrenzter als in Regionalbahnen und man muss Stellplätze für die Räder reservieren. Das Ein- und Aussteigen ist etwas umständlich, aber man spart einiges an Zeit. Wäre ich als Frau allein unterwegs, würde ich Fahrrad samt Gepäck allerdings nicht in einen Intercity-Waggon hineinwuchten wollen.
Da uns Tangermünde als Reiseziel ausdrücklich empfohlen wurde, steht unser erstes Etappenziel bereits fest, und das Quartier haben wir ebenfalls schon gebucht. Solch ein festes Ziel setzt einen ein wenig unter Druck und wir werden künftig wieder nur in Ausnahmefällen vorab reservieren. Der Radweg verläuft bei Magdeburg rechts der Elbe; in der Stadt gibt es allerdings eine Alternativroute. Unsere gestrige Radtour führte uns von Magdeburg aus nach Biederitz, weiter über Gerwisch und Lostau nach Hohenwarthe, von dort aus über die Kanalbrücke nach Rothensee und zurück nach Magdeburg. Somit hatten wir die wunderschöne Landschaft rechts der Elbe bereits durchfahren und konnten nun etwas abkürzen. Wir beginnen unsere Tour am Hotel Sleep & go in Magdeburg und fahren weiter zum Gewerbegebiet Nord, wo mein Mann arbeitet. Dieser Streckenabschnitt ist weniger schön und ich bin sehr froh, als wir endlich die Kanalbrücke nach Hohenwarthe überqueren. Normalerweise begeistern mich derartig funktionale Bauwerke weniger, aber ein Kanal, der über eine Trogbrücke über einen Fluss geführt wird, ist schon etwas Besonderes! Nun sind wir auf dem ausgeschilderten Elberadweg, der noch ein Stück am Mittellandkanal entlang führt. An der Doppelschleuse Hohenwarthe verlassen wir den Damm und folgen der Ausschilderung zur Schleuse Niegripp. Diese Orte sind mir noch aus DDR-Zeiten ein Begriff. Damals wurden im Radio regelmäßig nach den Nachrichten die Wasserstände und Tauchtiefen angesagt und ich fragte mich oft, wer so etwas denn braucht. Wenigstens sind ein paar Namen im Gedächtnis geblieben. Wir sind nun rechts der Elbe, und erst in Rogätz wechseln wir wieder auf die linke Seite. Immer wieder begegnen uns Radfahrer mit Gepäck, die ebenso wie wir Fahrrad-Urlaub machen. Man grüßt sich und kommt an Rastplätzen oft ins Gespräch. Ich staune ich, wie flott viele Senioren unterwegs sind. Nach einer kurzen Pause geht es weiter auf Deichen, wenig befahrenen Straßen oder gut befestigten Waldwegen. Zwischendurch eröffnen sich schöne Blicke auf einen Elbarm voller Seerosen. Enten, Schwäne und ein Graureiher sind zu sehen. Wir beide sind längere Radtouren nicht mehr gewohnt und somit sind 75 Kilometer eine ziemliche Herausforderung. Allerdings kommen wir trotz des kühlen, unfreundlichen Wetters und des Windes, der meist von der Seite, manchmal aber auch von vorn weht, gut voran. Bereits mittags sind wir in Grieben. Überall am Weg gibt es Hinweise auf freie Unterkünfte. Wir haben zur Sicherheit Zelt und Schlafsäcke dabei, möchten aber im Normalfall Zimmer nehmen. Tangermünde rückt immer näher. Wir würden gern Kaffeepause machen, finden aber zum gewünschten Zeitpunkt keine Möglichkeit dazu. Die Ortschaften am Weg sind überwiegend klein; der Tourismus konzentriert sich in den Städten am Elberadweg. Die letzten Kilometer sind recht mühsam. Ich bedaure das, weil die Elbe und ihre Ufer hier sehr schön, d.h. naturbelassen sind und man immer wieder Störche beobachten kann, die offensichtlich an Menschen gewohnt sind. An einer Stelle sind sie schätzungsweise 10 Meter von uns entfernt und lassen sich gar nicht stören. Hier wäre ich gern häufiger und würde mir mehr Zeit nehmen! Wir sind froh, als wir die Stadt erreicht haben und unser Quartier ansteuern können. Dass wir bereits 14 Uhr hier sein würden, hätten wir nicht gedacht. Ein bisschen zu schnell waren wir unterwegs, was allerdings den Vorteil hat, dass wir etwas mehr Zeit für dieses wunderschöne Städtchen haben werden.
Dienstag, 10. Januar 2012
10.01.12 Dresden – Wehlen und zurück, 67 Km
Zugegeben, so richtig glücklich bin ich nicht, als ich aufs Fahrrad steige. „Endlich mal wieder eine Radtour machen“ wäre eine gute Ansage gewesen, aber ich empfinde anders: „eine Radtour machen, weil es die einzige Outdoor-Sache ist, die geht“. Eine Frage der Anschauung – aber ich bin gerade nicht so gut darin, mir etwas vorzumachen. Nach ausgiebigem Ausschlafen und einem dringend fälligen Friseurtermin bin ich unruhig, beinahe ein bisschen panisch. Mir ist ja klar, dass an ein paar Resturlaubstagen nicht alles geht. Man kann nicht gleichzeitig ausschlafen und etwas vom Tag haben, nicht ausruhen und zugleich den Haushalt auf Vordermann bringen, nicht entspannen, Sport treiben, Briefe schreiben, Termine wahrnehmen… rein rational betrachtet ist alles klar. Wenn da nicht dieses blöde Gefühl wäre, nichts, aber auch gar nichts im Griff zu haben.
Ich fahre über die Molenbrücke Richtung Stadtzentrum. Die Elbe führt ziemlich viel Wasser. Richtung Meißen ist der Elberadweg vermutlich stellenweise überschwemmt, deswegen fahre ich heute nach Osten aus der Stadt hinaus. Den Wind habe ich im Rücken. Wie ich das nachher mache, wenn es heimwärts geht – mal sehen. Am Neujahrstag bin ich 30 Kilometer mit dem Rad gefahren und empfand das als angenehme Ausarbeitung. Laufen kann ich derzeit nicht, es ist wohl eine Entzündung im rechten Fuß. Radfahren im normalen Touren-Tempo geht aber problemlos.
Es regnet nicht mehr, die Wolkendecke lockert auf, und die Sonne schickt ein paar Strahlen. Ich bin schon im Stadtzentrum angekommen: so schnell geht das mit dem Rad! Die Bewegung, die frische Luft und die Helligkeit heben die Laune. Was habe ich falsch gemacht? Zu viel gearbeitet, zu viel gebaut kurz vor dem Jahreswechsel, zu wenig trainiert – oder war auch das Wenige zu viel? Aber solche Überlegungen führen zu nichts. Ich kann diese Tour machen, mal sehen, wie weit ich komme. An der Albertbrücke überquere ich zum ersten Mal die Behelfsbrücke für Fußgänger und Radfahrer. Der Holzbelag ist bei Nässe etwas rutschig und hat schon einige Leute zu Fall gebracht. Aber heute fährt es sich sehr gut darauf, und es ist angenehm, von den Autos getrennt zu sein. Dann geht es hinunter zu den Elbwiesen, und ich kann immer mal hinüber aufs Wasser schauen. Den Fluss neben mir und die Vögel über mir – da fühlt man sich gleich ganz anders, leicht und befreit. Ich fahre so zügig es geht und werde das tun, so weit es geht. Etwas wärmer hätte ich mich anziehen können, aber es wird schon gehen. Ich trage meine bequemsten Laufschuhe, um sicher zu gehen, dass nichts drückt. Ein wenig kühl und luftig fühlen sie sich an. Am Blauen Wunder vorbei, geht es Richtung Tolkewitz und Laubegast. Ein Glück, dass kein Schnee liegt und ich fahren kann!
Ungewohnt ist es, wieder länger mit dem Rad unterwegs zu sein, und ein wenig Überwindung hat es mich gekostet, loszufahren. Ich weiß nicht, was für eine Strecke ich schaffen werde. Am Elberadweg gibt es immer wieder Bahnhöfe, wo ich notfalls einsteigen kann. Wochenlang war ich morgens die Erste und abends die Letzte im Büro. Dauerstress hinterlässt Spuren, macht irgendwann nur noch müde. Ein paar Tage Urlaub machen aus mir keinen neuen Menschen, aber sie können einiges bewirken, wenn sie gut genutzt werden. Nur: was ist gut?
Hinter Zschieren endet die Stadt Dresden. Das Elbtal wird weit, das Ufer sieht natürlicher, ursprünglicher aus. Heidenau, dann Pirna: ich möchte bis in die Sächsische Schweiz fahren und bin mir nun auch sicher, das zu schaffen. Auf dem Rückweg wäre es realistisch, ab Pirna die S-Bahn zu nehmen. Da ist Pirna auch schon in Sicht: zuerst die neue, dann die alte Elbbrücke – und von dort aus weiter nach Obervogelgesang. Dort erheben sich die ersten Sandsteinfelsen am anderen Ufer. Die Strecke von Obervogelgesang nach Niedervogelgesang zieht sich für mein Empfinden schon in die Länge. Ich überhole ein paar Wanderer, und ab und an zieht ein Radfahrer an mir vorbei. Noch ein Elbbogen – ein sehr schöner, ruhiger, wo oft Raubvögel kreisen, dann müsste Wehlen kommen. Ich ersehne nun eine kurze Pause. Zunächst geht es unter dem Bahndamm hindurch zur Straße hinauf, dann ein Stückchen bergauf. Endlich die ersten Häuser, und nach einer Biegung sehe ich den letzten Anstieg vor dem Bahnhof. Eine S-Bahn fährt Richtung Dresden – aber die hätte ich ohnehin nicht genommen, noch nicht. Absteigen, Pause. Genau zwei Stunden habe ich bis Wehlen gebraucht, aber der Rückweg wird schwieriger werden. Ich habe mir nur zwei Schokoriegel mitgenommen; einer davon ist nun fällig. Ein bisschen trinken – viel mag ich nicht, das Wasser ist kalt. Für eine längere Pause ist es zu kühl. Ich vertrete mir ein wenig die Beine. Der linke Fuß ist stärker ausgekühlt als der rechte. Woran mag das liegen? Ich massiere ihn ein bisschen und steige dann wieder aufs Rad. Zunächst kommt der Wind von der Seite, aber bald weht er mir kräftig entgegen. Bis Pirna noch … das erscheint mir weit. Die Beine würden lieber noch Pause machen. Ich fahre weiter und denke an nichts mehr. Nur geradeaus, so gut es eben geht. Herunterschalten. Niedervogelgesang, endlich Obervogelgesang. Manchmal komme ich kaum von der Stelle. Meine Kondition wollte ich mir erhalten – welche Kondition? Da ist doch so gut wie nichts mehr übrig! Allmählich kommt Pirna näher, aber es ist mühselig. Am Elbeparkplatz biege ich ab Richtung Altstadt. Ich kann nicht mehr, es hat keinen Sinn … aber an geschützter Stelle fährt es sich besser. Der nächste Wegweiser führt wieder zur Elbe hinunter, geradeaus darf ich nicht fahren, Einbahnstraße. Wieder bin ich auf dem Elberadweg – und fahre weiter. Machen die Beine das automatisch – oder ist der Körper am Ende doch klüger? Will er mir gar zu einem Erlebnis verhelfen, das ich ganz gut brauchen könnte? Bis zur neuen Elbbrücke komme ich ganz gut voran. Ein paar Meter weiter, an einer Bank, halte ich an. Ziehe den linken Schuh aus und knete den Fuß durch, in dem ich so gut wie kein Gefühl mehr habe. Die Gore-Tex-Schuhe habe ich zuhause gelassen, ebenso die Überschuhe – so was Blödes aber auch. Die Kapuze an der Jacke ist eine Wohltat; die kann ich jetzt gut über der Mütze gebrauchen. Beim Weiterfahren versuche ich, den linken Fuß stärker einzusetzen und ein bisschen im Schuh zu bewegen. Heidenau… und weiter vorn sehe ich Zschieren. Das ist Dresden! Ich freue mich auf meinen Kaminofen zuhause. Etwas ist mir doch neben dem Job gelungen: mein Zimmer fertigzustellen! Mein Zimmer mit dem Kaminöfchen… Zschieren kommt immer näher. Wann mache ich die nächste Pause? Ich schaffe es bis zur Zschachwitzer Fähre. Hier ist der nächste Schokoriegel fällig. Die Kalorien brauche ich, um bis nach Hause zu kommen. Abnehmen müsste ich, aber ich werde es nicht erzwingen. Nicht mehr zunehmen wäre auch schon ganz gut… Ich schaffe es nicht, den linken Fuß warm und beweglich zu machen. Ein bisschen beweglicher, das muss reichen – bis zum Blauen Wunder und vielleicht auch weiter. An den Elbwiesen bei Tolkewitz wird es noch einmal windig. Herunterschalten… da ist das Blaue Wunder zu sehen. Der Anblick stimmt mich optimistisch. Zweieinhalb Kilometer noch bis dorthin, von dort aus 6 Kilometer ins Zentrum – der Rest ist Arbeitsweg, und der geht immer…
Irgendwann lasse ich das Blaue Wunder hinter mir. Rechts von mir sind die Elbschlösser zu sehen. Mein nächstes Ziel ist die Waldschlösschenbrücke. Die Sonne ist hinter dem Horizont verschwunden. Ich möchte so weit wie möglich ohne Beleuchtung fahren, um Kräfte zu sparen. In Johannstadt schalte ich sie ein, als ich zur Straße hinauf fahre. Ich nehme den Weg mit dem geringsten Anstieg. Bis zur Albertbrücke, das weiß ich vom Laufen, ist es nicht mehr weit. Die Ampel an der Brücke schaltet auf Rot, das gibt mir Gelegenheit zu einer kurzen Pause. Durchatmen. Über die schöne Fahrradbrücke zur Neustädter Seite. Als ich wieder auf den Elberadweg fahre, bin ich trotz der Kälte und der nachlassenden Kräfte gut gelaunt. Da ist das Stadtzentrum, eine Brücke nach der anderen, und hinter der Marienbrücke … Arbeitsweg, den schaffe ich noch. Es ist 16.47 Uhr, als ich mein Fahrrad zuhause einschließe. Der Rückweg hat seine Zeit gedauert. Jetzt ganz schnell aufwärmen, ausruhen und etwas früher schlafen gehen. Morgen steht Krafttraining auf dem Programm. Die Strecke nach Wehlen habe ich bisher noch nie nachgemessen: etwas mehr als 33 Kilometer sind es von mir bis dorthin. Die Gesamtstrecke hat mich geschafft, das ist aber kein Wunder. Schön war es doch - irgendwie.
Ich fahre über die Molenbrücke Richtung Stadtzentrum. Die Elbe führt ziemlich viel Wasser. Richtung Meißen ist der Elberadweg vermutlich stellenweise überschwemmt, deswegen fahre ich heute nach Osten aus der Stadt hinaus. Den Wind habe ich im Rücken. Wie ich das nachher mache, wenn es heimwärts geht – mal sehen. Am Neujahrstag bin ich 30 Kilometer mit dem Rad gefahren und empfand das als angenehme Ausarbeitung. Laufen kann ich derzeit nicht, es ist wohl eine Entzündung im rechten Fuß. Radfahren im normalen Touren-Tempo geht aber problemlos.
Es regnet nicht mehr, die Wolkendecke lockert auf, und die Sonne schickt ein paar Strahlen. Ich bin schon im Stadtzentrum angekommen: so schnell geht das mit dem Rad! Die Bewegung, die frische Luft und die Helligkeit heben die Laune. Was habe ich falsch gemacht? Zu viel gearbeitet, zu viel gebaut kurz vor dem Jahreswechsel, zu wenig trainiert – oder war auch das Wenige zu viel? Aber solche Überlegungen führen zu nichts. Ich kann diese Tour machen, mal sehen, wie weit ich komme. An der Albertbrücke überquere ich zum ersten Mal die Behelfsbrücke für Fußgänger und Radfahrer. Der Holzbelag ist bei Nässe etwas rutschig und hat schon einige Leute zu Fall gebracht. Aber heute fährt es sich sehr gut darauf, und es ist angenehm, von den Autos getrennt zu sein. Dann geht es hinunter zu den Elbwiesen, und ich kann immer mal hinüber aufs Wasser schauen. Den Fluss neben mir und die Vögel über mir – da fühlt man sich gleich ganz anders, leicht und befreit. Ich fahre so zügig es geht und werde das tun, so weit es geht. Etwas wärmer hätte ich mich anziehen können, aber es wird schon gehen. Ich trage meine bequemsten Laufschuhe, um sicher zu gehen, dass nichts drückt. Ein wenig kühl und luftig fühlen sie sich an. Am Blauen Wunder vorbei, geht es Richtung Tolkewitz und Laubegast. Ein Glück, dass kein Schnee liegt und ich fahren kann!
Ungewohnt ist es, wieder länger mit dem Rad unterwegs zu sein, und ein wenig Überwindung hat es mich gekostet, loszufahren. Ich weiß nicht, was für eine Strecke ich schaffen werde. Am Elberadweg gibt es immer wieder Bahnhöfe, wo ich notfalls einsteigen kann. Wochenlang war ich morgens die Erste und abends die Letzte im Büro. Dauerstress hinterlässt Spuren, macht irgendwann nur noch müde. Ein paar Tage Urlaub machen aus mir keinen neuen Menschen, aber sie können einiges bewirken, wenn sie gut genutzt werden. Nur: was ist gut?
Hinter Zschieren endet die Stadt Dresden. Das Elbtal wird weit, das Ufer sieht natürlicher, ursprünglicher aus. Heidenau, dann Pirna: ich möchte bis in die Sächsische Schweiz fahren und bin mir nun auch sicher, das zu schaffen. Auf dem Rückweg wäre es realistisch, ab Pirna die S-Bahn zu nehmen. Da ist Pirna auch schon in Sicht: zuerst die neue, dann die alte Elbbrücke – und von dort aus weiter nach Obervogelgesang. Dort erheben sich die ersten Sandsteinfelsen am anderen Ufer. Die Strecke von Obervogelgesang nach Niedervogelgesang zieht sich für mein Empfinden schon in die Länge. Ich überhole ein paar Wanderer, und ab und an zieht ein Radfahrer an mir vorbei. Noch ein Elbbogen – ein sehr schöner, ruhiger, wo oft Raubvögel kreisen, dann müsste Wehlen kommen. Ich ersehne nun eine kurze Pause. Zunächst geht es unter dem Bahndamm hindurch zur Straße hinauf, dann ein Stückchen bergauf. Endlich die ersten Häuser, und nach einer Biegung sehe ich den letzten Anstieg vor dem Bahnhof. Eine S-Bahn fährt Richtung Dresden – aber die hätte ich ohnehin nicht genommen, noch nicht. Absteigen, Pause. Genau zwei Stunden habe ich bis Wehlen gebraucht, aber der Rückweg wird schwieriger werden. Ich habe mir nur zwei Schokoriegel mitgenommen; einer davon ist nun fällig. Ein bisschen trinken – viel mag ich nicht, das Wasser ist kalt. Für eine längere Pause ist es zu kühl. Ich vertrete mir ein wenig die Beine. Der linke Fuß ist stärker ausgekühlt als der rechte. Woran mag das liegen? Ich massiere ihn ein bisschen und steige dann wieder aufs Rad. Zunächst kommt der Wind von der Seite, aber bald weht er mir kräftig entgegen. Bis Pirna noch … das erscheint mir weit. Die Beine würden lieber noch Pause machen. Ich fahre weiter und denke an nichts mehr. Nur geradeaus, so gut es eben geht. Herunterschalten. Niedervogelgesang, endlich Obervogelgesang. Manchmal komme ich kaum von der Stelle. Meine Kondition wollte ich mir erhalten – welche Kondition? Da ist doch so gut wie nichts mehr übrig! Allmählich kommt Pirna näher, aber es ist mühselig. Am Elbeparkplatz biege ich ab Richtung Altstadt. Ich kann nicht mehr, es hat keinen Sinn … aber an geschützter Stelle fährt es sich besser. Der nächste Wegweiser führt wieder zur Elbe hinunter, geradeaus darf ich nicht fahren, Einbahnstraße. Wieder bin ich auf dem Elberadweg – und fahre weiter. Machen die Beine das automatisch – oder ist der Körper am Ende doch klüger? Will er mir gar zu einem Erlebnis verhelfen, das ich ganz gut brauchen könnte? Bis zur neuen Elbbrücke komme ich ganz gut voran. Ein paar Meter weiter, an einer Bank, halte ich an. Ziehe den linken Schuh aus und knete den Fuß durch, in dem ich so gut wie kein Gefühl mehr habe. Die Gore-Tex-Schuhe habe ich zuhause gelassen, ebenso die Überschuhe – so was Blödes aber auch. Die Kapuze an der Jacke ist eine Wohltat; die kann ich jetzt gut über der Mütze gebrauchen. Beim Weiterfahren versuche ich, den linken Fuß stärker einzusetzen und ein bisschen im Schuh zu bewegen. Heidenau… und weiter vorn sehe ich Zschieren. Das ist Dresden! Ich freue mich auf meinen Kaminofen zuhause. Etwas ist mir doch neben dem Job gelungen: mein Zimmer fertigzustellen! Mein Zimmer mit dem Kaminöfchen… Zschieren kommt immer näher. Wann mache ich die nächste Pause? Ich schaffe es bis zur Zschachwitzer Fähre. Hier ist der nächste Schokoriegel fällig. Die Kalorien brauche ich, um bis nach Hause zu kommen. Abnehmen müsste ich, aber ich werde es nicht erzwingen. Nicht mehr zunehmen wäre auch schon ganz gut… Ich schaffe es nicht, den linken Fuß warm und beweglich zu machen. Ein bisschen beweglicher, das muss reichen – bis zum Blauen Wunder und vielleicht auch weiter. An den Elbwiesen bei Tolkewitz wird es noch einmal windig. Herunterschalten… da ist das Blaue Wunder zu sehen. Der Anblick stimmt mich optimistisch. Zweieinhalb Kilometer noch bis dorthin, von dort aus 6 Kilometer ins Zentrum – der Rest ist Arbeitsweg, und der geht immer…
Irgendwann lasse ich das Blaue Wunder hinter mir. Rechts von mir sind die Elbschlösser zu sehen. Mein nächstes Ziel ist die Waldschlösschenbrücke. Die Sonne ist hinter dem Horizont verschwunden. Ich möchte so weit wie möglich ohne Beleuchtung fahren, um Kräfte zu sparen. In Johannstadt schalte ich sie ein, als ich zur Straße hinauf fahre. Ich nehme den Weg mit dem geringsten Anstieg. Bis zur Albertbrücke, das weiß ich vom Laufen, ist es nicht mehr weit. Die Ampel an der Brücke schaltet auf Rot, das gibt mir Gelegenheit zu einer kurzen Pause. Durchatmen. Über die schöne Fahrradbrücke zur Neustädter Seite. Als ich wieder auf den Elberadweg fahre, bin ich trotz der Kälte und der nachlassenden Kräfte gut gelaunt. Da ist das Stadtzentrum, eine Brücke nach der anderen, und hinter der Marienbrücke … Arbeitsweg, den schaffe ich noch. Es ist 16.47 Uhr, als ich mein Fahrrad zuhause einschließe. Der Rückweg hat seine Zeit gedauert. Jetzt ganz schnell aufwärmen, ausruhen und etwas früher schlafen gehen. Morgen steht Krafttraining auf dem Programm. Die Strecke nach Wehlen habe ich bisher noch nie nachgemessen: etwas mehr als 33 Kilometer sind es von mir bis dorthin. Die Gesamtstrecke hat mich geschafft, das ist aber kein Wunder. Schön war es doch - irgendwie.
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