Samstag, 18. September 2010

18.09.2010 Dresden-Diesbar/Seußlitz und zurück

Herbstlich ist es draußen geworden. Der Baum vor dem Bürofenster hat sich rot gefärbt, und sieht man das Laub und den Himmel darüber, möchte man am liebsten nach draußen, zu einer Wanderung aufbrechen, anderes tun als Aufträge zu bearbeiten und Anrufe entgegen zu nehmen. So ging es mir am Freitag, als das Wochenende schon in Sicht war, und ich begann, Pläne zu machen. Gern wäre ich ins Gebirge gefahren, kam dann aber doch auf etwas Anderes: ich sehnte mich nach meinem Lieblingsabschnitt des Elberadwegs.

Um Fünf stand ich auf und fuhr dreiviertel Sieben los. Der Familie hinterließ ich eine aufgeräumte Küche und einen gedeckten Frühstückstisch; am Vorabend hatte ich gekocht und Kuchen gebacken. Ich bin immer ganz froh, wenn all das erledigt ist, ehe ich aufbreche. Mein Mann sollte nach der Spätschicht erst einmal ausschlafen können – deswegen keine Wanderung, sondern Radfahren.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch ihr Schein ließ die Häuserdächer orangerot strahlen und der Osthimmel war rosa gefärbt. Die Morgenstunden sind oft die schönsten vom Tag, und deshalb bin ich gern früh unterwegs. Bei Radebeul ist ein Teil des Elberadwegs wegen Deichbauarbeiten gesperrt. Ich nahm die ausgeschilderte Umleitung über die Kötzschenbrodaer Straße. Früh am Morgen fuhr es sich dort noch gut; auf dem Rückweg war es bereits unangenehm wegen der vielen Autos, die unterwegs waren, vor allem aber wegen der Fahrer, die rücksichtslos drängelten und den Radfahrern viel zu nahe kamen. Diese Umleitung ist eine Gefahrenquelle – im Berufsverkehr mag ich mir das gar nicht vorstellen! - und ich hoffe, dass sie bald nicht mehr nötig sein wird!

Weiter ging es durch Altkötzschenbroda, einen wunderschönen Stadtteil von Radebeul. Dort möchte man am liebsten das Rad abstellen und bummeln gehen, aber ich war ja unterwegs, um meine Kondition zu steigern, und deshalb fuhr ich weiter, traf wieder auf den Elberadweg und fuhr bald auf Niederwartha zu. Der Brückenbau hat große Fortschritte gemacht; man muss aber immer noch einen kleinen Umweg fahren, der beschildert ist.

Ich hatte vor, in jedem Fall bis Meißen zu fahren, wünschte mir aber, noch ein Stück weiter zu kommen. Es sah nach einem freundlichen Spätsommertag aus, der Himmel war stellenweise blau. Ein Feld mit Sonnenblumen breitete sich rechts von mir aus, die Blumen leuchteten intensiv in der Morgensonne. Der Wind wehte mir aus westlicher Richtung entgegen. Gegenwind hat den Vorteil, dass man seine Kräfte besser einteilt. Außer mir waren nur wenige Fahrer unterwegs, junge Männer in sportlicher Montur oder Einheimische, die vermutlich zu ihren Gärten fuhren. Die jungen Männer zogen schnell an mir vorbei; ich begnügte mich damit, die Einheimischen zu überholen, wenn sie mir zu langsam waren. Ich wollte ausdauernd fahren und dachte dabei an die Worte, mit denen uns unsere Yoga-Lehrerin immer ermahnt: jeder achte auf sich selbst und versuche nicht, mit anderen zu konkurrieren. Ich finde diese Aufforderung sehr wichtig und hilfreich, denn wenn es überhaupt einen Widersacher gibt, mit dem man sich auseinanderzusetzen hat, dann den, der in einem selber steckt.

Der Wind kräuselte das Wasser zu den vielfältigsten Kreiseln und Strömungen, dann aber, hinter Coswig, wurde die Elbe auf einmal ganz glatt und ruhig, und der Himmel spiegelte sich in ihr. Vor Meißen weitet sich das Elbtal. Ich halte gern dort an, um diese Weite zu genießen, dem Wind zu lauschen und nach oben zu den Wolken zu schauen, und auch dieses Mal sah ich mich nach allen Seiten um und fand den Ort und die Wirkung, die von ihm ausgeht, sehr ergreifend.

Diesen Abschnitt des Elberadwegs zu fahren, ist für mich, wie nach Hause zu kommen; ich habe die Tour auch schon beschrieben. Je näher ich der Stadt Meißen kam, desto mehr kam ich im Draußen-Sein, im Unterwegs-Sein an - und konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen.

Die Kleingärten am Wegrand waren hübsch anzusehen, die Dahlien standen in voller Pracht, Äpfel, Pflaumen und Quitten reiften, und ich erinnerte mich an unseren Blumen- und Gemüsegarten, den wir längst abgegeben haben. Manchmal denke ich, dass so ein Nutzgarten viele Vorteile hat und auch Freude macht, aber hätten wir ihn noch, fände ich keine Zeit für Touren. Also doch lieber Radfahren und aufs Gärtnern verzichten.

Hinter Meißen machte ich die erste kurze Pause und hatte einen schönen Blick zurück auf Dom und Albrechtsburg. Die zurückgelegten Kilometer – etwas über zwanzig – spürte ich bereits. Diera-Zehren war das nächste Ziel, das ich gern erreichen wollte, aber ich sah noch ein Stück weiter Richtung Diesbar und dachte mir: das schaffe ich doch. Vorbei ging es an Weinbergen, wo Leute schon bei der Arbeit waren. Diera-Zehren war bald erreicht. Dort kreisten drei Rotmilane über mir. Zwei von ihnen waren recht groß, einer war kleiner, aber sie alle waren ziemlich beeindruckend mit ihren ausgebreiteten Schwingen und den gegabelten Schwänzen. An der Elbe zwischen Meißen und Riesa kann man sie relativ häufig beobachten.

Ein Schild zeigte 17 Kilometer bis Riesa an, dorthin wollte und konnte ich mit Sicherheit nicht fahren, aber Diesbar-Seußlitz war nun ein realistisches Ziel. In Nieschütz hatte ich auf einmal wieder viel Schwung – solche Phasen gibt es immer mal, wenn man unterwegs ist. Bewegung im Freien kann sehr viel Energie spenden. In den vergangenen Wochen habe ich oft gedacht, Leistungseinbußen hinnehmen und einen allgemeinen Verfall akzeptieren zu müssen. Wahrscheinlich habe ich wieder einmal zu schwarz gesehen, denn einiges kann man gewiss tun, um fit zu bleiben. Mit einigen Veränderungen wird man sich wohl abfinden müssen. Unterwegs begann ich mir zu wünschen, bis zum letzten Atemzug aktiv zu sein. Ist das vermessen?

Der Elbbogen bei Diesbar kam in Sicht und bald auch der Ort selbst, idyllisch gelegen und von Felsen umgeben. Während ich mich umsah, erblickte ich einen Raubvogel, der über das Wasser flog. So groß, wie er war, hatte ich ihn kurzzeitig für einen Storch gehalten, aber mir wurde schnell klar, dass es keiner sein konnte. Er war größer als die Milane, die ich kurz zuvor gesehen hatte, sehr kräftig, mit weißem Kopf und Hals und hellen Schwanzfedern. Das musste ein Seeadler sein! Er flog direkt auf den nächsten Felsen zu, wo er landete und sitzen blieb, um das Elbtal zu überblicken. Fasziniert hielt ich einen Moment an, um ihn zu beobachten. Es ist bekannt, dass es in der Gegend um Meißen Seeadler gibt, und ich habe mir schon oft gewünscht, einen zu sehen. Bisher hatte ich nur einmal in der Gegend um Moritzburg so ein seltenes Exemplar beobachten können.

Da er sich nicht von der Stelle rührte, fuhr ich weiter nach Diesbar, um dort kurz Rast zu machen. Den Felsen ließ ich nicht aus den Augen. Ich war von dem Erlebnis so euphorisiert, dass auch eine Rückfahrt mit heftigem Gegenwind oder im strömenden Regen an meinem Glücksempfinden nichts geändert hätte. Als ich umkehrte und mich wieder dem Felsen näherte, war der Seeadler nicht mehr zu sehen.

Bei der Rückfahrt hielt ich ein gleichmäßiges Tempo und machte noch drei kurze Trinkpausen, was für eine solche Tour recht häufig war. Die Kondition muss eben erst wieder aufgebaut werden. Die ersten größeren Gruppen von Radfahrern kamen mir entgegen. Hinter Meißen traf ich immer öfter auf Radler, meist Touristen, die regelmäßig anhielten und Fotos machten, was ich gut verstehen kann. Ich hatte dieses Mal keine Kamera mitgenommen, weil ich so zügig wie möglich fahren wollte, schätzte mich aber glücklich, so eine malerisch schöne Gegend in unmittelbarer Nähe zu haben. Und ich freute mich über die zurückgelegte Strecke. Knapp 65 Kilometer müssen es gewesen sein, mein Ego hat sie gebraucht, zugegebenermaßen. Eine Genießer-Tour war es aber trotzdem – oder gerade deswegen.

Sonntag, 12. September 2010

11.09.2010 Dresden-Volkersdorf-Rähnitz-Dresdner Heide und zurück

Es kommt mir selber unwahrscheinlich vor: dies war tatsächlich meine erste richtige Radtour, seit wir Mitte Juni auf dem Elberadweg unterwegs waren. Am vergangenen Wochenende bin ich eine reichliche Stunde Rad gefahren, die ich eher als Vorbereitung verstand. Außerdem wurde ich in Radebeul durch eine Sperrung des Elberadweges frühzeitig gestoppt und habe mir in Konsequenz daraus eine Tour Richtung Moritzburg vorgenommen.

Gegen 8 Uhr fuhr ich los. Man merkt, dass die Tage kürzer geworden sind; die Sonne geht erst nach halb sieben auf, und vorher kam ich nicht aus dem Bett.

Die Richtung stand fest; ich wollte in Moritzburg wieder einmal meine Lieblingsmotive fotografieren und dann nach Radeburg weiterfahren. Am Boxdorfer Berg herrschte starker Verkehr. Ich schob mein Rad hinauf; das ist, im Unterschied zur Fahrt mit dem Bus, auch eine Art Training. Training ist momentan das Stichwort oder eher ein Motto, das nicht nur am Wochenende gilt, und begonnen hat es mit jener Stunde Radfahren am vergangenen Samstag. Auch Wandern oder ein längerer Spaziergang dürfen es sein: irgendein Ausdauersport am Wochenende gehört zum Programm, das ich mir erstellen ließ. Ich habe mich dazu entschlossen, mich ab und an mit einem Trainer abzusprechen, neue Ziele abzustecken und sachkundigen Rat einzuholen, denn nicht immer kann man Motivation nur aus sich selbst beziehen.

In Boxdorf angekommen, hat man das Elbtal verlassen, und die Fahrt auf der Alten Dresdner Straße bietet Ausblicke bis ins Lausitzer Bergland. Dort kann man streckenweise das Rad einfach rollen lassen, den Fahrtwind im Gesicht spüren und in die Ferne schauen. Die Straße führt weiter an den Waldteichen vorbei; man kann an mehreren Stellen nach Moritzburg abbiegen. Waldwege sind nach Regenfällen eher nicht zu empfehlen, und deshalb wollte ich eine Straße nehmen, die einen weiten Bogen durch den Wald macht, gut befahrbar ist und direkt in den Ort führt. Leider war die Straße gesperrt, und ich entschied mich für eine andere Route, fuhr weiter auf der Landstraße nach Volkersdorf hinein. Dort wandte ich mich nach rechts Richtung Dresden, was nicht hieß, dass ich schon umzukehren beabsichtigte. Kurz nach dem Ortsausgang biegt auf der linken Seite ein Feldweg ab. Man sieht schon von weitem, dass er unter der Autobahn hindurch führt. Dies ist nach meiner Kenntnis der kürzeste Radweg zwischen Moritzburg/Volkersdorf und der Dresdner Heide. Er ist nicht ausgeschildert; ich hatte ihn nach Vororientierung an Hand der Radwanderkarte einmal ausprobiert. In besonders gutem Zustand ist dieser Weg nicht: sandig, holprig und voller größerer Schottersteine, denen man besser ausweicht. Er führt in ein Wäldchen hinein, wo er eine weitere Autobahntrasse überquert. Die interessante Streckenführung wiegt die Unannehmlichkeiten des Weges einigermaßen auf. Der Weg scheint weniger bekannt zu sein; man trifft nur selten auf andere Radfahrer oder Spaziergänger. Er führt direkt zum Flughafen.

Als ich in das Wäldchen fuhr, hörte ich ein Flugzeug über mir, konnte es jedoch nicht sehen. Ich hoffte aber, noch mehr Flugzeuge starten oder landen zu sehen. Bald kam ich aus dem Wald heraus, fuhr ein Stück bergauf und fand mich nach einigen Metern am Flughafengelände wieder; der Weg führt direkt am Zaun entlang. Ich fuhr um das Gelände herum und hielt neben der Einflugschneise an, aber kein Flugzeug war weit und breit zu sehen oder zu hören. An anderen Tagen hatte ich mehr Glück; die Flieger kommen einem dort sehr nahe. Bei sonnigem Wetter und blauem Himmel ist das eine gute Gelegenheit, ein wenig zu träumen. Der Dresdner Flughafen ist angenehm überschaubar, modern und hat eine schöne Besucherplattform. Bei der Wahl eines ferneren Urlaubsziels spielt es für uns durchaus eine Rolle, ob wir von Dresden aus fliegen können. Träume, das ist mir in letzter Zeit klar geworden, sind allein schon ihrer motivierenden Wirkung wegen wichtig. Manche lassen sich sogar realisieren, und bei diesem Gedanken freute ich mich auf den bevorstehenden Urlaub in ein paar Wochen.

Da sich am Flughafen nichts tat, fuhr ich weiter nach Rähnitz. Dort musste ich eine stark befahrene Straße überqueren, was sich als etwas schwierig erwies. Offensichtlich war das ganze Umland nach Dresden unterwegs. Irgendwann klappte es dann doch, und ich fuhr weiter nach Weixdorf und hinter dem dortigen Waldbad in die Heide hinein, froh, die Landstraßen hinter mir lassen zu können. Wenn die Straßen zu voll sind, ist eine Fahrt durch die Heide immer eine gute Alternative. Das Waldbad Weixdorf, ein Naturbad, ist zur Erholung und zum Erfrischen durchaus zu empfehlen, aber für dieses Jahr kommt das wohl nicht mehr in Frage.

Die Strecke war bislang abwechslungsreich und hügelig gewesen und würde es auch bleiben. Ich war zufrieden und guter Dinge. In den vergangenen Wochen waren Kondition und Motivation auf dem Tiefpunkt gewesen, gesundheitliche Probleme hatten sich gehäuft in diesem Jahr, und ich kann nicht einmal sagen, was nun Ursache und was Wirkung war; vermutlich spielte Verschiedenes ineinander. Zeitweise aufs Radfahren verzichten zu müssen, hat den Mut ziemlich sinken lassen; schließlich ist mir das Rad viel mehr als nur ein Fortbewegungsmittel. Aber nun gibt es neue sportliche Ziele sowie ein gutes und, was noch wichtiger ist, realistisches Trainingsprogramm.

Wieder auf Tour zu sein, fühlte sich richtig gut an. Ich konnte in die Pedalen treten, mich anstrengen und kam auch die meisten Hügel hinauf. Zwischen Weixdorf und Langebrück ist die Heide sehr ruhig; ich fuhr Richtung Hofewiese, um sie von Norden nach Süden zu durchqueren. Nachdem ich die Langebrücker Straße überquert hatte, kam ich zu weit nach rechts von meiner Route ab, denn irgendwann befand ich mich auf dem Weg, der durch unser Pilzgebiet führt. Dieser Umweg war kein Problem: ich fuhr ein Stück zurück, widerstand der Versuchung, nach Pilzen zu schauen, und bog an unserer gewohnten Kreuzung Richtung Hofewiese ab. Von dort aus ging es hinunter ins Prießnitztal; wieder eine flotte Talfahrt, der ein Anstieg folgte, wo ich schieben musste. Sogar am Steinpilzwald war ich vorbei gefahren. Für den folgenden Tag hatten wir ohnehin eine Pilzwanderung geplant, so dass ich mich gut aufs Training konzentrieren konnte. An der Marienallee verließ ich die Heide, überquerte die Stauffenbergallee und fuhr die Forststraße entlang bis zur Bautzener Straße, die ich am Diakonissenkrankenhaus überquerte. Ich fuhr zur Elbe hinunter und weiter auf der Neustädter Seite nach Hause. Dabei hatte ich Gelegenheit, über die neue Molenbrücke zu fahren, die seit ihrer Eröffnung in der vergangenen Woche von zahlreichen Fußgängern und Radfahrern gern genutzt wird. Ich freue mich über diese Brücke nicht nur, weil ich sie täglich auf meinem Weg zur Arbeit überqueren kann, sondern vor allem, weil sie den Elberadweg ein Stück attraktiver und komfortabler macht. Nach den schlechten Entscheidungen in Sachen Brückenbau verfügt Dresden nun über eine wirklich vorzeigbare Brücke, eine hübsche, kleine Attraktion.

Drei Stunden war ich an diesem Tag unterwegs gewesen, zwischen 30 und 35 Kilometer gefahren; belastungsmäßig hat es genau gepasst. Und wenn ich mir auch weitere Touren wünsche – froh und glücklich bin genau jetzt über diese eine.