Donnerstag, 24. Juni 2010

15.6.-18.6.2010: Magdeburg - Dresden

Wir sind die erste Mehrtagestour gefahren, und weil der Umfang die Möglichkeiten eines Blogeintrags gewaltig sprengen würde, sei auf diesen Reisebericht verwiesen.

Samstag, 12. Juni 2010

11.06.2010 Dresden – Pirna und zurück

Tja – so richtig Kilometer schaffen wollte ich dieses Mal nicht. Dennoch hatte ich vor, dieser kurzen Radtour einen Eintrag zu widmen. Meist gibt es so viel über den Verlauf der Tour zu berichten, dass für all das, was ich sonst noch erzählen möchte, wenig Raum bleibt.

Aufgewacht war ich gegen sechs Uhr – ich hatte mir nicht den Wecker gestellt – , aber aufstehen mochte ich zunächst nicht. Am Vorabend war ich länger als gewohnt aufgeblieben. Normalerweise bin ich Frühaufsteherin, doch im Juni, wenn die Tage kürzer sind, bin ich auf Sommer eingestellt und würde mir gern mehr Leichtigkeit, Freiheit und Abweichungen vom normalen Rhythmus gestatten – hin und wieder zumindest. An Werktagen ist das leider ausgeschlossen, da muss ich hundertprozentig fit sein. In den letzten Wochen sind mir ohnehin zu viele Fehler bei der Arbeit unterlaufen: Zeit also, Urlaub zu machen.

Für einen Urlaubstag stand ich recht früh auf, weil diese Tour nicht nur meinem Vergnügen dienen, sondern einen praktischen Zweck erfüllen sollte. Aber ich ging es ruhig an, erledigte noch ein paar Kleinigkeiten und frühstückte mit Sohn Nr. 3, der ebenfalls frei hatte.
Kurz nach halb acht fuhr ich los. Es war sonnig und warm, und der Tag sollte richtig heiß werden.

Um die Natur erwachen zu sehen, war es viel zu spät. Ich rechnete auch mit Andrang auf dem Elberadweg; aus diesem Grund verlasse ich die Stadt ungern in östlicher Richtung. Ungeachtet des lebhaften Verkehrs auf dieser Strecke ist der Weg oft sehr schmal. Ich hatte die Wahl gehabt, mit der S-Bahn oder mit dem Rad nach Pirna zu fahren, aber die Entscheidung für das Rad war schnell getroffen.

Wegen der zu erwartenden Hitze fuhr ich ganz gemütlich. Der Berufs-Radverkehr war größtenteils schon durch, aber die ersten Radtouristen waren bereits auf dem Weg. Allerdings begegneten mir kaum Kolonnen, nur einzelne Fahrer oder Paare, fast alle wirkten froh und entspannt, und niemand behinderte den anderen.

An der Baustelle der Waldschlösschenbrücke machte ich ein Foto. Während ich dort stand und mit dem Auslöser beschäftigt war, rief mir einer im Vorbeifahren zu, dass ich mich schämen sollte, dieses hässliche Ding auch noch zu fotografieren. Er war viel zu schnell weg, als dass ich ihm hätte antworten können.

Hallo? Wo steht geschrieben, dass man nur Schönes fotografieren darf? Ich habe gegen diese Brücke gestimmt und sehe keinen Grund, mich zu schämen. Die Brückenbefürworter werden sich ihrer Entscheidung wohl auch nicht schämen. Die Autofahrerlobby hat sich durchgesetzt, das Ding wird gebaut. Ob hässlich oder nicht, die entstehende Brücke gehört bereits zum Stadtbild. Für mich ist sie Ausdruck von Ambivalenz, ein Gegenstück zur anmutig strahlenden Frauenkirche, die mir oft vorkommt, als könnte sie sich auflösen wie Zuckerguss.

Als ich die Elbschlösser fotografierte, sah ich durchweg freundliche Blicke auf mich gerichtet. Wahrscheinlich ist das typisch sächsisch: erst so ein Ding verzapfen und es dann nicht wahrhaben wollen.

Ich fuhr weiter und dachte nicht länger über das Erlebnis nach, was mir relativ leicht fiel, da ich auf dem Rad sehr bald friedlich wurde. Statt dessen reflektierte ich die Lektüre vom Vorabend: „Radfahren“, ein Büchlein von Michael Klonovsky. Dass sich etliche Leute schreibend über das Radfahren auslassen, hatte ich bisher noch nicht gewusst.

In Laubegast saßen die ersten Gäste auf der Terrasse eines Cafés. Eine Reihe von Schwänen überquerte die Elbe. Angenehm frisch war es in Flussnähe, und auf einmal fühlte ich mich an Ferien an der Ostsee erinnert. Sommer und der Geruch des Wassers, Urlaubsstimmung – und ich war doch faktisch noch zuhause. Da war es abgestreift, das Pflichtenkorsett, und dieses Gefühl war wunderbar.

Froh und leichten Mutes radelte ich an Kleinzschachwitz vorbei, fotografierte die Kirche „Maria am Wasser“ in Hosterwitz, genoss den Blick zum Pillnitzer Schloss auf der anderen Elbseite, und zwischen Zschieren und Heidenau, wo man die Stadt wirklich hinter sich lässt, gefiel es mir so gut, dass ich mich am liebsten am ruhigen, vom Weg etwas abgelegenen Ufer niedergelassen hätte. Aber dann sah ich schon die Häuser auf dem Sonnenstein vor mir auftauchen: Pirna war in Sichtweite und bald darauf erreicht. Am Elbeparkplatz bog ich ab und wandte mich Richtung Altstadt. Ich landete in der Fußgängerzone und stieg vom Rad. Die Altstadt von Pirna ist sehr schön, und mir fiel ein, wie lange ich mir schon einen Bummel dort vorgenommen habe. Aber auch dieses Mal wurde nichts daraus; ich wollte mittags wieder zuhause sein.

Außerhalb der Fußgängerzone ist die Stadt vom Verkehr verstopft; ich sah zu, dass ich mein Ziel erreichte. Ich musste ein bisschen suchen, um die Einfahrt zum Baumarkt zu finden, aber schließlich entdeckte ich sogar einen Fahrradständer, wo ich mein Rad lassen konnte. Den gewünschten Geschenkgutschein hatte ich schnell erworben und konnte den Heimweg antreten. Dieses Mal fand ich eine kürzere Fahrstrecke hinunter zur Elbe.

Es war nun heiß und windig, und der Wind wehte mir entgegen. Während ich dagegen an strampelte, dachte ich immer wieder über das Buch von Michael Klonovsky nach. Der Autor ist seiner Selbstauskünfte nach ein Hedonist durch und durch. Seine Auffassungen teile ich stellenweise, öfter bin ich geneigt, ihm zu widersprechen. Es wäre ja schlimm, wenn sich sämtliche Radfahrer in ihren Beweggründen und ihrem Fahrverhalten gleichen würden. Sein Schreibstil gefällt mir sehr gut; er ist amüsant, selbstironisch und ein wenig provokativ, auch eine gewisse Bescheidenheit oder eher die Fähigkeit, sich selbst wieder herunterzuholen, sprechen für das Buch und den Verfasser. Als Reiselektüre taugt das Büchlein nur dann, wenn man wenig Zeit zum Lesen aufbringen möchte: es ist einfach zu mitreißend und zu kurzweilig, als dass man sich tagelang darin vergraben oder gar verlieren könnte.

Als ich wieder nach Dresden hinein fuhr, freute ich mich auf zuhause und hatte kein Bedürfnis, mich länger auszupowern, was gewiss der Temperatur geschuldet war: das Thermometer zeigte 28 Grad im Schatten an. Es sollte noch auf 31 Grad steigen – ich hoffe, keiner der Radtouristen ist unterwegs aus dem Sattel gekippt.

Fotos