Montag, 13. Juni 2011

11.06.2011 Dresden-Schwepnitz über Seifersdorf, ca. 50 km

Mein Mann und ich haben uns nach einer hektischen Woche zu einem Kurzurlaub in der Lausitz entschlossen. Die Wetterprognosen, die zunächst gar nicht so gut aussahen, haben sich von Tag zu Tag verbessert, so dass ich am Mittwoch Abend das Hotel gebucht habe.

Als wir gegen 10.45 Uhr in Dresden starten und mit den Rädern nach Norden fahren, sind wir froh, die Stadt hinter uns lassen zu können. Stau auf der Leipziger Straße, Unmengen von Menschen auf Rad- und Fußwegen – da kann man nur noch flüchten. Es ist sonnig und ziemlich warm. An der Stauffenbergallee entscheiden wir uns, durch die Heide zu fahren. Über die Marienallee gelangen wir in den Wald und haben gleich einen langen Anstieg zu bewältigen. Aber es ist still und angenehm kühl hier. Erst nach einigen Kilometern begegnen wir einem Spaziergänger. Es wird noch einmal steiler, dann geht es hinunter ins Prießnitztal. Das Fahren bergab auf feinem Schotter ist mir unangenehm – ich habe zu tun, die Spur zu halten und vorsichtig abzubremsen. Nach uns kommen zwei Mountainbiker ziemlich rasant hinunter – sie haben die richtigen Fahrräder und Reifen. Für unsere geplante Reise sind Tourenräder insgesamt am besten geeignet.

Nach einer kurzen Rast an der Kannenhenkelbrücke schieben wir die Räder aus dem Tal heraus. Dann fahren wir zur Hofewiese, wo man wieder einkehren kann. Wir fahren jedoch weiter geradeaus nach Langebrück. Dort angekommen, geht es unter der Eisenbahnbrücke hindurch und dann halblinks Richtung Grünberg, wie uns der Wegweiser zeigt. Es ist eine schmale, ruhige Straße, die an hübschen Häusern und Grundstücken vorbeiführt. Wir hoffen, dass der weitere Streckenverlauf ähnlich angenehm ist. Die ADFC-Radwanderkarte „Lausitz, Östliches Erzgebirge“ zeigt uns vorzugsweise ruhige, radfahrerfreundliche Strecken, aber in der Realität sind Radwege nicht immer gut zu finden. Oft sind es eher Feld- und Waldwege ohne Markierung oder Richtungshinweis.

An einer Kreuzung weist das Schild nach Grünberg links herum. Hier geht es an Feldern entlang, an denen wilde Korn- und Mohnblumen blühen. Am Himmel können wir immer wieder Raubvögel sehen. Wolken ziehen heran, es sieht gewittrig aus, aber laut Wetterbericht soll es erst abends regnen. Uns kommen ein paar Autos und Radfahrer entgegen. Wir freuen uns, unterwegs zu sein! Ich hatte zunächst befürchtet, dass eine solche Tour zu stressig ist, aber es tut gut, alle Verpflichtungen, die zu Hause immer präsent sind, hinter sich lassen zu können. In Grünberg kommen wir an eine Kreuzung mit Rastplatz, die wir bereits kennen. Hier machen wir eine längere Pause und schauen uns den weiteren Streckenverlauf auf der Karte an. Bei einer Wanderung haben wir an dieser Stelle schon einmal Rast gemacht und uns überlegt, dass man hier entlang gut in die Lausitz fahren könnte.

Nun fahren wir ins Seifersdorfer Tal hinein. Das Verbotsschild dort interpretieren wir als veraltet. Bald sehen wir, was der Tornado hier vor einem Jahr angerichtet hat. Der herrliche Wald ist wie niedergemäht. Alte Bäume, junge Bäume, Sträucher liegen umgestürzt am Boden, die einst grünen Wiesen sind immer noch von Schlamm und Erde überzogen. Vieles ist inzwischen beräumt worden, Holz liegt gestapelt am Wegrand, und man sieht die Spuren der Forstfahrzeuge. Wir wollen nicht das ganze Tal durchqueren, sondern einen Weg nach Norden fahren, den wir beim Wandern gesehen haben. Es ist bedrückend, in dieser von der Katastrophe gezeichneten Landschaft unterwegs zu sein, und ich habe zunehmend ein ungutes Gefühl. Ob wir hier durchkommen? Der Weg wird schmaler und felsiger. Als der Pfad noch schmaler und steiler wird, überlegen wir, umzukehren. Ich gehe ein Stück vor, um mir den weiteren Verlauf anzusehen. Es geht dann tatsächlich weiter, so dass wir die Satteltaschen zurücklassen und die Räder ein Stück bergan tragen. Man muss jeden Schritt sorgfältig wählen, weil das Geländer heruntergebrochen ist. Deshalb ist dieser Streckenabschnitt nicht zur Nachahmung empfohlen; man nimmt besser die Landstraße nach Seifersdorf. Wir können unsere Taschen wieder aufladen, müssen aber immer noch schieben. Wir entscheiden uns, den Weg nach Norden heraus aus dem Tal zu nehmen; er ist sandig und voller großer Steine – an Fahren ist vorerst nicht zu denken. Ich hätte zuvor recherchieren sollen, ob das Seifersdorfer Tal wieder passierbar ist.

Wir bewegen uns dennoch in die richtige Richtung und sind optimistisch. Auf der Anhöhe angekommen, folgen wir dem Weg weiter und können bald wieder aufsteigen. Dann sehen wir Häuser; ein Ort kommt uns zur Orientierung gerade recht. Wir kommen an einer recht befahrenen Landstraße an – und sind in Seifersdorf! Hier fahren wir rechts herum weiter, entdecken aber bald linker Hand die Lomnitzer Straße und biegen dort ab. Lomnitz liegt in unserer Richtung. Dort angekommen, wenden wir uns Richtung Höckendorf. Die schmale Straße führt durch die Laußnitzer Heide. Herrlich ruhig und grün ist es, und wir werden nur selten von Autos überholt. Wir können uns gut unterwegs unterhalten und genießen die Fahrt. In Höckendorf können wir wählen: links herum nach Königsbrück über Laußnitz oder rechts herum über Gräfenhain. Der zweite Weg verspricht laut Karte ruhiger zu sein, obwohl er ein Stückchen weiter ist. Die Strecke ist gut ausgeschildert. Wir kommen an eine große Lichtung. Rechts von uns ist der Keulenberg ganz nahe. Das wäre auch einmal ein lohnendes Ausflugsziel. Hier finden wir einen Rastplatz, nach dem wir schon eine Weile ausschauen. Von der kleinen Bank am Waldrand aus beobachten wir mehrere Rotmilane und erfreuen uns an Ruhe und der Landschaft um uns herum. Es war richtig, hierher zu fahren!

Bei der Weiterfahrt begegnen uns einige Radfahrer. Gräfenhain ist ein ruhiger Ortsteil. Von hier sind es nur noch zwei Kilometer bis Königsbrück. Ich bin gespannt, wie wir durch diesen großen, teils sehr befahrenen Ort kommen werden. Anwohner weisen uns den Weg nach Weißbach; man fährt die Kamenzer Straße ein Stückchen Richtung Zentrum, nimmt aber die nächste Querstraße rechts. Am Lidl geht es erneut rechts herum. In Weißbach zweigt eine Straße nach Koitzsch ab. An der nächsten Kreuzung geht es links herum nach Schmorkau. Ich vermute, dass die kleine, unbeschilderte Straße geradeaus nach Gottschdorf führt. Eine Anwohnerin sagt uns, dass wir links herum fahren müssen, wenn wir nach Schwepnitz fahren wollen. So fahren wir doch über Schmorkau. Nachträglich stellen wir fest, dass die Strecke geradeaus wohl doch besser, weil ruhiger gewesen wäre. Freilich sind wir sehr dankbar über die freundlichen Auskünfte unterwegs, aber viele Leute kennen nur ihre Autostrecken und weniger die Radwege.

In Schmorkau fahren wir auf die B 97. Vier Kilometer noch bis Schwepnitz, wo wir übernachten werden. Das Fahren hier ist ziemlich unangenehm. Immer wieder brausen Autos mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit vorbei. Glücklicherweise ist vergleichsweise wenig Verkehr und sie halten reichlich Abstand. Ich hasse es, auf Schnellstraßen zu fahren. Wenn man da übersehen wird, hilft auch der Helm nicht mehr. Wir sind froh, als endlich der Wegweiser nach links ins Industriegebiet kommt. Dort wollen wir hin. Wir fahren noch ein Stück am Wald entlang bis zu dem kleinen Gewerbegebiet. Das Hotel „Büka Ambiente“ befindet sich in einem Neubaublock und wird von der benachbarten Debratec GmbH betrieben. Gleich hinter dem Werksgelände liegen Felder, ein Teich und die Königsbrücker Heide. Von hier aus erreicht man zahlreiche Rad- und Wanderwege in die reizvolle Umgebung. Das Hotel ist einfach und gut ausgestattet, und wir können unsere Fahrräder einschließen. Bei Mehrtagestouren mit dem Fahrrad sollte man darauf achten, dass die Unterkünfte „fahrradfreundlich“ sind. Eine Möglichkeit zum Duschen ist wichtig, Verpflegung ist in einer strukturschwachen Gegend wie der Lausitz hilfreich und willkommen.

Bei einem Spaziergang durch den Ort entdecken wir den alten Bahnhof. Ein Gedenkstein weist darauf hin, dass die Strecke von Königsbrück nach Schwepnitz im Jahr 1899 in Betrieb genommen wurde. Nun ist sie stillgelegt. Ehemalige Bahnanlagen faszinieren mich, und wir gehen ein Stück dort entlang, wo die Gleise waren – immerhin drei an der Zahl. Meine Großmutter hat oft von Schwepnitz gesprochen, sie hatte wohl Verwandte hier. Ich stelle mir vor, dass sie hier am Bahnsteig stand und auf den Zug gewartet hat. In ihrem Heimatort ist sie mit mir oft an den Bahndamm und zu den Zügen spazieren gegangen.

In der Schwepnitzer Kirche, die für Besucher geöffnet ist, spielt jemand Orgel, und wir hören eine Weile zu. Es ist wie ein kleines Konzert, dem wir eine Weile lauschen. Ich bin glücklich und ergriffen und fühle mich reich beschenkt von diesem schönen Tag, der Landschaft, der Musik und Harmonie. Das Essen im Hotel ist gut, und der Abendspaziergang führt uns an der Heide entlang. Die Ruhe ist für gestresste Stadtbewohner geradezu erquickend. Gegen 21.30 Uhr geht die Sonne unter, und es beginnt leise zu regnen.

Route

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