In den vergangenen Wochen hatte sich soviel Bewegungsdrang in mir angestaut, dass ich nun, da die Wetterprognosen einigermaßen waren, unbedingt aufs Rad wollte.
Ich musste mich etwas überwinden, den Wecker am Pfingstsonnabend auf 5.00 Uhr zu stellen, aber es sollte sich zeigen, dass ich keineswegs zu früh aufgestanden war – draußen war es schon taghell, und es sah nach schönem Wetter aus. Kurz vor halb sieben brach ich auf. Am liebsten hätte ich eine Heidetour gemacht, aber nach dem Regenwetter der letzten Zeit wäre das ein schlechter Plan gewesen.
Ich fuhr wie gewöhnlich, wenn es mit dem Rad nach Moritzburg geht, Richtung Heidefriedhof aus der Stadt. Und wie immer schob ich mein Rad den Boxdorfer Berg hinauf, staunte aber nicht schlecht, weil ich ohne Pause und ohne aus der Puste zu kommen bis nach Boxdorf gelangte. Das sah nach guter Tagesform aus, und die konnte ich gebrauchen, hatte ich mir doch eine schöne Strecke vorgenommen. Ich fuhr die Schlossallee entlang nach Moritzburg; es war noch ruhig auf dieser sonst vielbefahrenen Straße. Natürlich hatte ich auch Bedenken, was mein Vorhaben anging, zweifelte daran, ob ich mit einem gerade halbwegs verheiltem Fuß eine Tagestour würde machen können, zumal ich sechs Wochen, von etwas geruhsamem Yoga abgesehen, keinen Sport getrieben hatte. Aber ich hielt es einfach nicht länger aus, ich wollte Sonne, Natur und die sportliche Herausforderung. Längere Touren fahre ich allein; ich brauche diese Auszeiten.
Während ich fuhr, stieg in der Richtung, welche ich nehmen wollte, ein silberner Ballon in den Himmel. Dieser Anblick fühlte sich an wie eine Ermutigung, Träume fliegen zu lassen.
Ganz still und friedlich war es in Moritzburg, diesem beliebten Ziel von Wochenendausflüglern und Touristen, und ich wusste, dass es gut gewesen war, die Strecke in genau dieser Reihenfolge zu planen. Ich fuhr am Schloss vorbei und bog dann in den Waldweg ein, der am Sophienteich vorbei zu den Altenteichen führt. Am Sophienteich machte ich eine kurze Pause. Als ich dort stand und auf die blauen, sich kräuselnden Wellen sah, den Vögeln lauschte und in den Himmel blickte, erlebte ich schon alles, was ich mir für dieses Wochenende gewünscht hatte. Kein Graureiher war zu sehen, aber kurz bevor ich aufbrach, flog einer hoch in der Luft über mich hinweg.
Weiter ging es zu den Altenteichen. Ich freute mich, ein schönes Stück durch den Wald fahren zu können, und dieser Weg ist in einem sehr guten Zustand. Dennoch sollte man sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass längeres Fahren auf durchnässtem Boden ziemlich anstrengen kann. Kurz vor der Klinik Heidehof bog ich Richtung Steinbach ab. Der ausgeschilderte Weg zum Köckritzteich war voller Pfützen. Er führt zwischen Köckritzteich und dem kleineren Silberteich entlang. Dort weideten Kühe direkt am Teichufer, und manche standen so dicht am Weg, dass ich sie beinahe hätte berühren können. Der Rundweg fährt sich bei anhaltend schönem Wetter sicher sehr gut. Ich musste ein paar Mal vom Rad absteigen, um nicht ein unfreiwilliges Schlammbad zu nehmen, kam aber wohlbehalten in Steinbach an. Nun wünschte ich mir eine gut befahrbare Straße, und da war sie auch. Ich wollte weiter über Lauterbach – Beiersdorf nach Großenhain fahren, doch in Lauterbach wurde gebaut. Die ausgeschilderte Umleitung über Ebersbach wollte ich nicht fahren und versuchte, an der Baustelle vorbei zu kommen. Obwohl am Wochenende dort niemand baut und man gut einen Pfad für Fußgänger und Radfahrer hätte freilassen können, war absolut kein Durchkommen – dieser Zugang zum Ort glich einer Festungsmauer. Hätte ich, wie zunächst beschlossen, Lauterbach in westlicher Richtung umfahren, hätte ich wohl ein paar Kilometer eingespart, aber aus Sorge, mich zu verfahren, nahm ich doch die ausgeschilderte Umleitung.
Ich hörte auf, mich über deutsche Gründlichkeit und damit verbundene Vollsperrungen zu ärgern und ärgerte mich stattdessen über den Umweg, der mich zu weit nordöstlich brachte. Insgesamt waren es an die zehn Kilometer, die ich zusätzlich zur geplanten Route durch die Gegend fuhr. Vorbei ging es an leuchtenden Rapsfeldern; der blaue Himmel hatte sich etwas eingetrübt. Ebersbach ist ein langgezogener, hübscher Ort mit schönen Bauernhäusern und Höfen, und dort angekommen, freundete ich mich mit den zusätzlich gewonnenen Eindrücken an. Dann endlich führte der Weg wieder nach links Richtung Lauterbach. In Hohndorf machte ich eine Pause, denn ich hatte mir vorgenommen, die Fahrt öfter zu unterbrechen und regelmäßig zu trinken und zu essen. Ich achtete auch darauf, mindestens zehn Minuten sitzen zu bleiben. Außerdem gab ich mein Wunschvorhaben auf, bis Zabeltitz zu fahren, das wäre auch ohne Umweg schon recht weit gewesen. Ich wollte mich fordern, aber nicht schinden.
Weiter ging es vorbei an Nauleis nach Dallwitz. Dort sah ich ein schönes, an einem Flüsschen gelegenes Grundstück mit einem längst verlassenen und verfallenen Haus, das mir sehr gut gefiel und mich ein bisschen sentimental stimmte. Dahinter erstreckte sich eine Wiese, und mitten auf der Wiese saß ein Hase. Ich hielt an, versuchte, mich an ihn heranzupirschen, um ihn zu fotografieren, aber er bemerkte mich und hoppelte davon.
Ein paar Meter weiter lag das winzige Dorf Lenz, nur aus wenigen Häusern bestehend, und ich fand es wunderhübsch. Weitgehend in Ordnung und gepflegt, war es nicht, wie vielerorts üblich, in eine Baumarktprospekt-Fertighaussiedlung verwandelt worden, man hatte den ursprünglichen Charakter bewahrt. Die Straße endete dort, und ich fuhr den daran anschließenden, relativ gut befestigten Weg weiter. Die Markierung zeigte siebeneinhalb Kilometer bis Großenhain an, und das war eine wirklich gute Nachricht. Der Himmel sah graublau aus, als ob es gegen Abend Gewitter geben würde, es war warm und freundlich, und ich hatte nur leichten Gegenwind. Der Weg war ganz gut zu fahren, er führte am Fuchsberg vorbei. Weiter vorn war ein Kirchturm zu sehen: das musste Großenhain sein. Die Strecke war bislang so ruhig gewesen, dass man kaum daran dachte, an einem verlängerten Wochenende unterwegs zu sein: nur wenige Radfahrer und Autofahrer waren mir unterwegs begegnet.
Das Zentrum von Großenhain war gut zu finden. Halb elf kam ich dort an und sah mich kurz um, ehe ich wieder auf die Karte schaute. Ich war bereits zu weit gefahren: unterhalb der Großen Röder hätte ich links abbiegen müssen – wenn mich Großenhain weniger interessiert hätte. Ein schöner Radweg führt ein Stück an der Röder entlang. Man überquert den Fluss zweimal und befindet sich schließlich auf einer befahrenen Straße, die in der einen Richtung nach Meißen, in der anderen nach Zabeltitz führt. Für Radfahrer ist sie jedoch nicht zu empfehlen. Ich wandte mich nach Nordenwesten Richtung Kleinraschütz/Großraschütz. An Feldern vorbei, über denen immer wieder Raubvögel kreisten, ging es nach Skassa und von dort nach Weißig. Hinter Weißig angekommen, sah ich vor mir das Chemiewerk Nünchritz, und als ich darauf zufuhr, sah ich rechter Hand Riesa liegen. Radwege führen dort an neugebauten Schnellstraßen entlang; die Strecke ist gut beschildert und es gibt in regelmäßigen Abständen Stellen mit Verkehrsinseln, wo man die Straße überqueren kann. Ich fuhr um das Chemiewerk herum und gelangte so auf den Radweg, der daran vorbei führt. Bei Leckwitz fuhr ich auf den Elberadweg und machte erst einmal Pause. Es war kurz nach zwölf Uhr. Ich freute mich über die Schönheit des Elbtals, das zwischen Meißen und Riesa besonders idyllisch ist, und über den bekannten und mit Sicherheit gut zu bewältigenden Rest der Strecke.
Während die Tour bis dahin über Wege oder nur wenig befahrene Straßen geführt hatte, geriet ich nun in den Feiertagsausflugsverkehr. Radfahrerkolonnen, Wanderer, radelnde Familien mit Kindern jeden Alters waren unterwegs. Das Grün der Wiesen und Elbhänge war so frisch und intensiv wie meist um diese Jahreszeit. Man kann von solchen Bildern und Erinnerungen lange Zeit zehren. Die Natur kann so viel Freude geben, dass sich alle Sorgen, Ängste, alles Belastende gleichsam darin auflösen.
In Diesbar-Seußlitz hielt gerade ein Dampfer, Restaurants und Cafés waren gut besucht. Diesen bei Ausflüglern beliebten Ort habe ich so bevölkert noch nicht erlebt – meist fahre ich in den frühen Morgenstunden dort entlang, wenn es noch ruhig ist.
Aber noch hielt sich der Verkehr in Grenzen. Es ist ja auch schön, zu erleben, wie gern sich all die Leute unter freiem Himmel bewegen und wie sehr sie den Aufenthalt an der Elbe genießen. Immer wieder sah ich Familien, die es sich im Gras und auf Rastplätzen gemütlich gemacht hatten. Bald war ich in Meißen, wo ich noch einmal Pause machte. Zwischen Meißen und Radebeul musste ich doch einige Sonntagsfahrer überholen; manche radeln so langsam, dass man einfach nicht hinter ihnen bleiben kann. Insgesamt habe ich aber versucht, mich nicht zu sehr anzutreiben, viel zu schalten, dadurch Kräfte zu sparen und auch die Landschaft zu genießen, was mir bei vergangenen Touren nicht immer gelungen ist.
Gegen 14.45 war ich zuhause, gut ausgearbeitet, aber nicht restlos k.o. Sicherheitshalber hatte ich Sportbandagen mitgenommen, aber keine davon benötigt. Als ich die Strecke anhand der Karte noch einmal durchging, glaubte ich es kaum: um die 100 Kilometer war ich unterwegs gewesen. Angefühlt hatte es sich wie 70 bis 80 Kilometer, zu einem guten Teil der abwechslungsreichen Strecke wegen, aber sicher auch, weil ich mir mehr Zeit gelassen hatte.
Mein Vorderrad-Packtäschchen hat sich als sehr praktisch, robust und nützlich erwiesen: Dinge, die weniger schwer sind, aber häufiger benötigt werden, können schnell entnommen und wieder hineingeworfen werden. Mit dem Kauf der zweiten Tasche werde ich wohl nicht mehr lange warten.
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