Nach dem langen Winter hatte ich drei Eingewöhnungsstrecken hinter mir: nach Meißen und zurück, (normalerweise eher eine Spazierfahrt, war doch nach längerer Pause etwas anstrengend), beim nächsten Mal Diesbar und zurück; schließlich rund um Moritzburg.
Nun wollte ich etwas weiter fahren und vor allem eine neue Strecke ausprobieren. Meine Wahl fiel auf eine Tour, die in dem Büchlein „Die schönsten Radtouren rund um Dresden“ empfohlen wird.
Bis zum Bahnhof Pirna mit der S-Bahn zu fahren, hielt ich für lächerlich und begann wie gewöhnlich vor der Haustür mit meiner Tour. Die Temperatur – nur wenig über Null – machte einen Zwiebellook samt Stirnband und Handschuhen erforderlich. An der Elbe angekommen, fiel mir die Kälte auf, die in Flussnähe herrschte. Ich hätte kein Teil weniger anhaben dürfen.
Nach Pirna zu fahren, bedeutete eine Stadtdurchfahrt Richtung Osten. Diese wünschte ich mir, wollte ich doch die im Bau befindliche Waldschlösschenbrücke sehen. Zum Glück war es noch relativ ruhig auf dem Elberadweg – ein Vorteil, wenn man früh aufbricht. Langsam schob sich die Sonne über die Häuserdächer, aber es sollte noch eine Weile dauern, bis man sie spürte. Ich überquerte die Carolabrücke, um ans andere Ufer zu gelangen. Dort gibt es einen Radweg, was sehr angenehm ist - nicht jede Dresdner Brücke hat einen. Eine Abfahrt zur Elbe gibt es jedoch nicht. Als ich sah, wie ein Ordnungshüter einen Radfahrer vor mir zur Seite winkte, steuerte ich die nächste Ampel an, um die Straßenseite zu wechseln. Ich wollte nicht riskieren, wegen was auch immer vollgequatscht zu werden. Auf der anderen Straßenseite angekommen, gelangte ich leicht und schnell hinunter Richtung Elbe.
Von Johannstadt aus sieht man den Brückenbogen liegen. Gnadenlos wird der Bau vorangetrieben; mit stumpfsinniger Konsequenz wird das Elbtal verschandelt.
Ich hatte leichten Gegenwind, kaum an Bäumen und Gräsern zu sehen, aber doch spürbar und eisig. Von Kleinzschachwitz aus kann man das Pillnitzer Schloss sehen, ein Dampfer fuhr gerade vorbei. Der Raureif auf den Elbwiesen fing an zu tauen. Dreiviertel neun war ich in Pirna und machte eine kurze Pause, um mich noch einmal mit der Tour vertraut zu machen. Es war angedacht, die Elbe zu überqueren. Aber ich wollte noch nicht zurück; es reizte mich, weiter Richtung Wehlen zu fahren. Der Abschnitt zwischen Pirna und Wehlen ist besonders schön. Und weil ich genügend Möglichkeiten sah, die beschriebene Route abzukürzen, fuhr ich nach Wehlen, kam kurz vor halb zehn dort am Bahnhof an und fand, nun sei es Zeit zum Umkehren. Mit dem Wind(chen) im Rücken fuhr es sich schneller und leichter, und bald war ich wieder in Pirna, wo ich Handschuhe, Stirnband und meine zweite Jacke ablegen konnte und über die alte – nicht neue - Elbbrücke fuhr.
Von dort aus ging es die Uferstraße entlang Richtung Pratzschwitz. Diese Straße führt direkt zu Autobahnauf- und Abfahrten und ist deshalb mit Vorsicht zu befahren. Auf dem Tourenbüchlein ist eine Familie mit Kindern abgebildet – ich dachte in jenem Moment, dass Kinder auf diesem Streckenabschnitt nicht gut aufgehoben sind. Später sollte sich herausstellen, dass die Tour für Kinder eher ungeeignet ist. Hinter der Abfahrt von der A 17 wurde die Straße jedoch schmaler und ruhiger. Pratzschwitz ist ein hübsches Dorf, und die Strecke Richtung Pillnitz ist gut ausgeschildert. An einer Kiesgrube vorbei führt ein Radweg, Bänke laden zum Verweilen ein. Hier legte ich die Kniebandage (besser rechtzeitig als zu spät) an und dachte mir: das wird also eine richtig fordernde Tour. Aber schon kurz vor Pillnitz wurde das Fahren unangenehm, und ich begann mich zu ärgern.
Hatte ich mir zu viel vorgenommen? Ich dachte an die Touren am Ende des vergangen Jahres und wollte es nicht glauben. In Pillnitz fuhr ich durch den Schlosspark, ohne dass mich jemand daran hinderte – ich war auch nicht die einzige Radfahrerin, die dort unterwegs war. Erst am Ausgang sah ich, dass das Radfahren im Park nicht gestattet ist. Im Ortszentrum, hinter der Sparkasse, sollte die Straße Richtung Borsberg abzweigen. Ich fand sie zwar, aber hinauffahren konnte ich, von wenigen Stellen abgesehen, nicht. Das übertraf den Anstieg des Boxdorfer Berges, den ich nie hinauf fahre, bei weitem. Ich hatte zu tun, mein Fahrrad überhaupt hochzuschieben. Mit dem Rennrad wäre es vielleicht besser gegangen als mit dem relativ schweren Tourenrad, aber nie hätte ich dort pausenlos hinauf fahren können. Kinder dort mit hoch zu nehmen stelle ich mir schwierig bis unmöglich vor. Die Karte im Tourenbüchlein taugt auch nur bedingt zur Orientierung; mit der Wanderkarte „Dresdner Elbhang“ war ich in Zweifelsfällen besser beraten. Wieder auf dem Rad, durchquerte ich das Dorf Borsberg und fand am Ende des Ortes ein Fleckchen zum Rasten. Ich befand mich kurz vor Zaschendorf, wo die Straße abzweigen sollte, und war ziemlich erledigt. Es war viertel Zwölf und die Sonne schien recht warm. Bisher hatte ich zu wenig getrunken, also holte ich das nach. Diesen Fehler begehe ich immer wieder, mache wohl auch zu wenig Pausen. Ich zwang mir ein Brötchen rein, denn es war höchste Zeit, etwas zu essen.
Die Pause machte sich bemerkbar, das letzte Stück des Anstiegs war ganz gut zu bewältigen. Ich fand die Straße mit Namen Talblick, die nach Reitzendorf und weiter nach Schönfeld führt. Von Bühlau aus hatten wir mit der Schule regelmäßig Exkursionen ins Hochland unternommen (damals war es noch üblich gewesen, den Geldbeutel der Eltern zu schonen), aber noch nie war ich am Schloss Schönfeld gewesen. Ich hielt mich aber nicht lange auf – das Knie machte mir wieder zu schaffen, und ich fuhr weiter Richtung Cunnersdorf/Gönnsdorf. Von Gönnsdorf aus kannte ich die Strecke; es ging vorbei an meiner alten Schule, die teilweise abgerissen wurde und zu einem Gymnasium umgebaut wird.
Von Bühlau aus sollte man die Heide durchqueren, aber ich gab den Plan auf und fuhr ein paar Stationen mit der Straßenbahn Linie 11. Die Wege in der Heide kenne ich, und ich hatte keine Lust, dort schlapp zu machen, zumal wir Ende der Woche eine Wanderung ins Erzgebirge geplant haben, bei der ich gern dabei sein wollte. Die letzten fünf Kilometer bis nach Hause waren beschwerlich genug.
Zuhause – viertel zwei war ich angekommen - fiel mir ein, dass ich im letzten Frühjahr schon in Pirna Probleme mit dem Knie bekommen hatte; da war ich dieses Mal noch ganz gut dran. Mit zunehmendem Training hatte ich aber keine Schwierigkeiten mehr. Als ich die Strecke noch einmal durchging, stellte ich fest, dass ich doch ganz zufrieden sein konnte: 62 Kilometer, teilweise mit Höhenunterschieden, waren akzeptabel; ich freute mich, den neuen Streckenabschnitt kennengelernt zu haben, und über die Fahrt an sich.
Wichtig ist doch, dass man sich auf den Weg macht.
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