Montag, 10. Juni 2013

32 km auf Hiddensee

Als vor ein paar Tagen unsere Urlaubspläne auf Kippe standen, überlegte ich schon, komplett umzudisponieren: irgendwohin in den Süden zu fliegen, wo garantiert schönes Wetter ist (die Kanaren sind ziemlich sonnensicher), zumal ein Flug die beste Möglichkeit sein würde, das Elbtal zu verlassen. Wir wussten nicht, wie hoch der Elbpegel noch steigen würde; ob überhaupt alle Bahnhöfe in Betrieb sein würden. Es wurde tatsächlich ein Flug, allerdings nach Düsseldorf, von wo es mit dem Zug über Berlin hinauf an die Ostseeküste ging. Kann man überhaupt an Urlaub denken, wenn man an der Elbe wohnt und das Wasser höher und höher steigt, fragte ich mich. Ja, man kann und man sollte auch, wenn man die Auszeit dringend braucht. Wir haben Dresden verlassen, als das Wasser wieder langsam zurück ging. Unser erstes Ziel war die Insel Hiddensee, und ich bin froh, an diesem Ziel festgehalten zu haben. Unsere Fahrräder sind zuhause geblieben. Für eine Reise mit Fahrrädern in der Bahn braucht man Normalität: Ausfälle, Ersatzverkehr, Einschränkungen im Regionalverkehr sind insgesamt zu nervenaufreibend – sowas vermeide ich, wenn es irgend möglich ist. Mit Mietfahrrädern sind wir nun auf der Insel Hiddensee unterwegs. Wir brechen kurz vor zehn Uhr in Vitte am Hafen auf, fahren auf dem Deich am Schapproder Bodden entlang; der Himmel ist unglaublich blau und spiegelt sich im ruhigen Wasser. Es ist sommerlich, aber gerade noch nicht Hochsaison: eine ideale Zeit, hierher zu reisen. Vitte ist relativ zentral auf der Insel gelegen. Wir wollen zuerst nach Süden, nach Neuendorf fahren. Man hat einen weiten Blick über die Heidelandschaft zum Bodden. An einem Teich mit Seerosen halten wir an, man hört die Frösche quaken. Überall stehen Warnschilder vor Kreuzottern. Als Kind war ich oft hier auf der Insel, aber damals müssen die Schlangen noch weniger zahlreich gewesen sein. Neuendorf, das ich sehr „dörflich“ in Erinnerung habe, ist auch heute noch ein recht idyllischer, aber weniger verschlafener Ort; es gibt Restaurants und ein paar interessante kleine Geschäfte. Dennoch hat der Tourismus die Insel nicht so nachteilig verändert, wie ich es befürchtet hatte. Und für Kurzurlauber wie uns hat ein wenig Zivilisation doch einige Vorteile. Hinter Neuendorf ist der Weg nun weniger gut: es ist ein viel befahrener Waldweg mit Rinnen und sehr sandigen Abschnitten, wo man mitunter absteigen muss. Das letzte Stück bis zum Leuchtturm am Gellen ist mit Stroh belegt worden, aber auch auf dem Stroh fährt es sich nicht besonders gut. Der kleine Leuchtturm ist, im Unterschied zum großen Leuchtturm am Dornbusch, für Touristen nicht begehbar. Der Strand hier ist sehr schön und wir nutzen die Gelegenheit zum Baden. Danach entschließen wir uns, noch ein Stück zu fahren. Weiter geht es auf schmalen Pfaden durch die Heide. Endlich haben wir den Absperrzaun erreicht: jenseits des Zaunes ist Naturschutzgebiet, das nicht mehr betreten werden darf. Der Gellen ist vor allem Vögeln, aber auch anderen Tieren vorbehalten; durch angeschwemmten Sand wächst er stetig. Es gibt auch eine weite Flachwasserzone, die wir bei unserer Fahrt mit dem Schiff zur Insel gut sehen konnten. Hier unten kurz vor der Absperrung ist der Strand besonders schön und auch nicht überlaufen. Auf dem Rückweg nach Neuendorf nehmen wir einen anderen Pfad durch die Heide und können auch den strohbedeckten Weg ein Stück umfahren. In Vitte machen wir zunächst eine Pause, ehe wir uns weiter nach Norden wenden. Die Insel Hiddensee ist 18 Kilometer lang. Wenn man davon ausgeht, dass man sie nicht komplett befahren kann, mutet dies eher bescheiden an. Aber nicht alle Wege sind in so gutem Zustand wie die Strecke von Kloster bis Neuendorf, und ich fand unsere heutige Fahrt nicht unanstrengend. Kloster ist der Ort mit den meisten Sehenswürdigkeiten der Insel. Hier gibt es ein kleines, interessantes Heimatmuseum, das Gerhart-Hauptmann-Haus und einige interessante Geschäfte. Von hier führen schöne Wanderwege hinauf aufs Hochland; einen davon sind wir gestern gegangen. Man kann auch am Strand entlang bis zur Steilküste laufen. Früher konnte man bis an den nördlichen Strand der Insel, den Bessin, wandern, aber dies ist wegen der Abbrüche am Dornbusch nicht mehr empfehlenswert. Überall an Wegkreuzungen auf der Insel gibt es kleine Wegweiser, aber ich finde den Weg von Kloster nach Grieben auch ohne diese Orientierungsmöglichkeit. Grieben ist der älteste Ort der Insel, ein Dorf, das über keinen Hafen verfügt. Es ist auch heute noch klein und idyllisch. Als Kind war ich mehrmals in den Sommerferien hier; in einer Ferienwohnung gegenüber vom Gasthaus „Enddorn“, das noch immer existiert. In der DDR waren Urlaubsquartiere an der Ostsee nicht leicht zu bekommen; dies galt besonders für Hiddensee. Auch heute noch gilt Hiddensee als Insel für Aussteiger. Das hört sich sehr verlockend an. Für mich ist die Insel mit vielen Erinnerungen verbunden. Tatsächlich könnte ich es hier sehr viel länger aushalten als beispielsweise auf Lanzarote. Man kommt auf Hiddensee zur Ruhe und die Landschaft ist doch recht abwechslungsreich. Besonders das Hochland mit seinen vielen Wanderwegen und Pfaden, stillen Fleckchen und Aussichtspunkten ist sehr interessant, aber man findet auch sonst viele schöne Plätze zum Ausspannen. Der Weg von Kloster nach Grieben ist kaum anders als früher: er führt an Weiden vorbei, wo Pferde grasen. Man sieht linker Hand den Leuchtturm auf dem Dornbusch und dann kommen schon die wenigen Häuser des Dörfchens. Im Unterschied zu früher, wo man nur in Kloster und Vitte einkaufen konnte, hat Grieben heute zumindest einen winzigen Laden. Wir fahren weiter geradeaus am Ort vorbei, auch hier mit schönem Ausblick zum Bodden. Der Weg ist immer noch mit groben Betonplatten ausgelegt. Früher war dies eine vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Strecke, heute leben die Inselbewohner überwiegend vom Tourismus und Fahrräder, Pferdefuhrwerke sowie Wanderer dominieren. Dort, wo die Steilküste wieder abflacht, gehen wir hinunter zum Strand. Es ist Idylle pur: weißer Sand, blaues Meer, kaum Menschen. So kenne ich den Strand aus meiner Kindheit. Aber im Wasser liegen große Steine und wir gehen doch nicht hinein. Unsere Suche nach Bernstein ist hier nicht von Erfolg gekrönt, aber ich habe schon heute Morgen bei Vitte ein hübsches kleines Stückchen gefunden, so dass ich mich geradezu vom Glück verwöhnt fühle. Wir sehen den Abbruch an der Steilküste, begnügen uns mit dem Blick dorthin und gehen nicht weiter. Mit den Rädern geht es zurück; schnell sind wir in Kloster und in Vitte, wo wir unsere Tour beenden. Fotos von Stralsund und Hiddensse

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